Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
Vom Netzwerk:
dem fassungslos staunenden Saal fuhr Gilagóg fort.
    Gott setzte sich auf einen mit Blumen bestandenen Hügel und zerbrach sich ein wenig den Kopf, wie er wieder leicht genug werden könnte, um ins All zurückzukehren. Was könnte er noch hier lassen, was wäre überflüssig mit hinaufzunehmen? Denn er hatte ja alle seine Gedanken, alle Freude, allen Kummer hier gelassen! Er hatte Glück, falls Gott Glück oder Unglück begegnen kann, denn wie er so dasaß, kam ein dunkelhäutiger Mann des Wegs. Er war schön, der dunkelhäutige Mann, stolz wie ein König. Er blieb vor dem Herrn stehen und kehrte die Handflächen nach oben, um zu zeigen, dass er nichts besaß.
    Herr, gib auch mir etwas, bat er.
    Was könnte ich dir geben, dunkelhäutiger Mann?!
    Ihnen, deutete er auf Eva und Adam, hast du ein Heim gegeben!
    Ein Zuhause, dunkelhäutiger Mann, hast auch du, lächelte der Herr.
    Wo ist es denn?, fragte der schwarze Mann.
    Der Herr wies um sich, die ganze Welt gehört dir.
    Wenn alles mir gehört, erwiderte der Dunkelhäutige, gehört mir nichts.
    Der Herr lachte und machte sich bereit.
    Gib mir noch was, sagte der Dunkelhäutige bange.
    Jetzt bin ich schon leicht genug, sagte der Herr.
    Was hast du mir gegeben, Herr?
    Die Heimatlosigkeit, dunkelhäutiger Mann.
    Gib mir auch einen Namen, bat der Dunkelhäutige.
    Gut, dunkelhäutiger Mann, du wirst Zigeuner heißen, sagte der Herr und fuhr wieder in den Himmel auf, nun war er leicht, so leicht, dass er selbst gar nicht mehr zurückkommen konnte, nur sein Sohn, und auch der nur einmal, und der Dunkelhäutige, der Zigeuner, wandert seitdem in der Welt umher, ein Heim findet er weder über noch auf der Erde.
    Gilagóg verstummte, er streichelte das runzelige Säuglingsgesicht.
    Gebt mir Geld!
    Gebt mir Geld!
    Er hat es mir erzählt, nickte Gilagóg, diese Missgeburt, dieser Kümmerling, dieser Aussatz hat es mir erzählt. Er sah zu Boden, Masa hechelte zu seinen Füßen.
    Imre trat neben ihn, sein Vortrag war an der Reihe. Er warte noch ab, bis einige Damen und Herren ihren Gulden vor den Woiwoden hingelegt hatten, der sie nur starr ansah.
    Gebt mir Geld! Gebt mir Geld!, brüllte Habred, dann, weil alle wieder Platz genommen hatten und Stille eingetreten war, konnte auch Imre zu sprechen beginnen.

Der Herr aus Wien hat ein Rendezvous
    Mit gemessenen Bewegungen machte er einen Bogen um die Schneeflecken. Als junger Mann hatte er auf den Pfaden des Praters und auf den Fußwegen der Burg diese Art des Spazierengehens oft geübt, damals hatte er noch keine Ahnung gehabt, wie sein Leben sich gestalten würde. Wie anders war die Burg zur Zeit seiner Jugend gewesen! In Wien wurde jetzt überallgebaut, gewaltige Gräben wurden aufgerissen, Mietshäuser errichtet, Radialstraßen in den Leib der Stadt getrieben. Wien, das teure Wien seiner jungen Jahre, als ihn noch eine tote Taube erschütterte! Er mochte zehn Jahre alt gewesen sein, stundenlang hatte er geschluchzt, als er mit dem Vater zufällig in den Laden eines Schmetterlingssammlers geraten war, wo hinter Glasplatten Pfauenaugen, gepanzerte Käfer, Pillendreher, Hirsch- und Bockkäfer glänzten. Doch nachdem der Vater ihm den Kopf streichelte und leise zu ihm sagte, mein Sohn, lass das Weinen, Wien fürchtet sich nicht vor dem Tod, er ist sein Freund, flossen seine Tränen nur noch im geheimen. So viel wusste er schon als Kind, dass er zu Großem berufen war, sein Ziel aber nur erreichen konnte, wenn er die Geduld zum Hauptbundesgenossen wählte. Das Tempo und der Rhythmus unseres Fortkommens sind genauso wichtig wie das selbst gesteckte Ziel! Wir müssen so voranschreiten, dass die Welt dabei an unserer Seite bleibt und keinen Moment lang Zweifel aufkommen, wir könnten nicht genau dorthin gelangen, wo wir hinwollten. Man muss genau sein wie der Tod! Gott ist nicht deshalb Gott, weil er unendlich, sondern weil er genau ist. Er hörte dem betrunkenen Schnarchen des Vaters zu und fasste weltbewegende Entschlüsse, im Spazierengehen würde er an den Gipfel gelangen, im Spazierengehen!
    Dieser Vortrag über die Blumenfresser war ein echtes Ereignis! Manchen trieb er deutlich sichtbar die Zornesröte ins Gesicht, es gab natürlich auch still Begeisterte. Diese Damen und Herren wird er noch in Augenschein nehmen, die lange Namensliste hat er im Kopf. Doch auch die Zornigen sieht er sich näher an, denn wer heute zürnt, ist morgen begeistert.
    Wie hat dieser Schön es gesagt?
    Alles, was im Zusammenhang mit dem Menschen geschieht,

Weitere Kostenlose Bücher