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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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Eintritt änderte er seinen Namen.
    Karl Sperl! Kann denn jemand mit einem so lächerlichen Namen Kommissar des Reiches werden?!
    Er konnte gar nicht verstehen, warum es seinen Vater nicht störte, mit dem Namen zu leben, den auch ein berühmtes Wiener Gasthaus trug! Aber den alten Trunkenbold kümmerte nichts mehr als seine zwei, drei Buddeln täglich! Sich einen anständigen Namen zuzulegen, blieb ihm überlassen, und so trat er bereits als Karl Bischof in den Dienst des Reichs.
    Der Herr aus Wien nickte und konzentrierte sich wieder auf seine Aufgabe.
    Die Persönlichkeit Schöns gab eher zu Neugierde als zu Wachsamkeit Anlass. Der Gelehrte trank am liebsten Wein, beziehungsweise Likör, meistens im Kreis der Familie, inmitten seiner Pflanzen. Schön kleidete sich durchschnittlich und eher nach der deutschen Mode, zum Beispiel rasierte er sich. Das patriotische Erscheinungsbild vermied er. Beim Blättern in den Berichten fragte sich der Herr aus Wien, warum Schön sich im Herbst des Vorjahres in der Kneipe einer gewissen Frau Léni wohl betrunken hatte. Er war nach Hause getorkelt und hatte neben der zweiten Robinie hinter dem Rathaus, nach reichlichem Erbrechen, seinen Hut zurückgelassen. Den bekam er natürlich anderntags von ihm geschickt. Bei dieser Gelegenheit hatte Schön nicht nur Bier getrunken, sondern auch in auffälliger Weise angestoßen. Wie war das möglich, wo doch die Ungarn Bier für ein deutsches Getränk hielten und nach der Erschießung eines der Hauptrebellen, Minister Batthyánys, zum Zeichen ihrer Verachtung dem Bier die Ehre des Anstoßens verweigerten?! Der Herr aus Wien schnupfte aus seiner Tabakdose und legte den Kopf zurück. Hu, das tat wohl, vor Wonne traten ihm Tränen in die Augen. Die Antwort war ganz einfach. Wer hatte nicht davon gehört, dass dieser Idiot Haynau fast gelyncht worden wäre. Als der General England bereiste, besuchte er die Brauerei Barclay & Perkins in dem keineswegs malerisch zu nennenden Southwark, und fast wäre ihm seine Anwesenheit zum Verhängnis geworden, denn die Arbeiter erkannten ihn und hätten ihn um ein Haar gelyncht! Das heißt, Schön hatte provoziert!
    Der Herr aus Wien winkte ab, auch das rebellische Spiel mit dem Bier war ein nicht einzuordnender Vorgang, die Ungarn stießen nicht an, na und . Sie verspäteten sich, logen, leugneten, dass sie Deutsch verstanden, nicht der Rede wert. Die Post desWissenschaftlers wurde überwacht, doch in den wirren Schriftstücken war nichts Verwertbares zu finden. Zeitweilig wurde er observiert, doch Schön tat keinen falschen Schritt, er traf sich nicht mit verdächtigen Elementen, falls Doktor Schütz, der Koliken rebellischer Ungarn ebenso heilte wie das Bauchkneifen österreichischer Garnisonssoldaten, nicht doch jenen zuzuzählen war. Was für ein seltsamer Kerl der Alte war, er wurde überhaupt nicht schlau aus ihm. Mal wirkte er wie eine gänzlich unbedeutende Figur, mal wie ein großer Fisch. Einmal war der Herr aus Wien, wozu es leugnen, regelrecht vor ihm erschrocken. Sie waren auf dem Korridor des Amts übereinander gestolpert, und der Alte, als würden sie sich schon lange kennen, hatte ihn unter schrillen Rufen umarmt, sich angebiedert und ihm das Gesicht, sein Gesicht! getätschelt. Minutenlang hatte er vor Schreck, vor Wut und Scham gezittert. Daraufhin hatte er von einer kriechenden Schildkröte geträumt, von einem urzeitlichen Wesen! Der Herr aus Wien begann zu lachen, und in diesem Lachen lag Bewunderung und eine seltsame Art von Wärme, oh, dieser Herr Schütz! Eine wirklich seltsame Spezies. Mehr als einmal hatte er gespürt, dass der Blick des Alten selbstvergessen auf ihm ruhte.
    Hin und wieder traf sich Schön mit Kigl. In Betracht kamen noch die Zigeuner, zu deren Müllhaufen er sich oft aufmachte. Schön schien ein seltsamer Kauz zu sein, auch hiesige wissenschaftliche Kreise hielten nicht viel von ihm. Auch seine Frau, geborene Klara Pelsőczy, gab keinen Grund zur Sorge, auch sie gefiel sich nicht in patriotischen Posen. Vor einigen Monaten hatte der Herr aus Wien sie an der Ecke Schlangengasse und Schwarzer-Adler-Straße gegrüßt, sie war, neben sich das Zigeunermädchen, auf dem Heimweg vom Markt gewesen und hatte ihm einen so schläfrigen Blick zugeworfen, dass er gähnen musste. Das Zigeunermädchen hatte gelacht und ihm die Zunge herausgestreckt. Dann machte er sich trotzdem Gedanken darüber, was für eine Frau diese Klara, diese Frau Schön sein mochte. Wie war wohl ihr Zorn,

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