Blumenfresser
legte ihn dem ruhig werdenden Mann um den Hals.
Adam spürte, wie ihm die Kälte das Rückgrat hinunterkroch, sein Gesicht begann zu frieren.
Nicht weinen, sonst hängen sie dich neben ihn!, zischte Kigl.
Ich weine nicht, sagte Adam.
Der Serbe wurde zu dem Baum geführt, er blickte zu dem Ast hinauf und gab ein Zeichen, sie mögen noch einen Moment warten. Er sank auf die Knie, fiel mit dem Gesicht auf die Erde und biss hinein wie in ein Stück Brot, er fraß die gefrorene Erde, die ihm gehörte, denn er war auf ihr aufgewachsen, sie hatte ihn erhalten, und nun würde der Tod ihn von ihr trennen. Der Schinder wurde ungeduldig, er zerrte ihn in die Höhe und versetzte ihm mehrere Schläge. Als er dann den Schemel unter ihm wegtrat, lachte er auf. Adam beobachtete Karls Gesicht und konnte nicht entscheiden, ob es Entsetzen oder Freude ausdrückte. Der Serbe zappelte, sein Nackenwirbel war nicht gleich gebrochen, die Augen quollen hervor, erstickend erbrach er die Erde. Der Schinder jaulte, packte den Körper und zerrte fluchend daran. Endlich erschlaffte der Unglückliche. Der Schinder keuchte, sein Blick suchte Adam, sie sahen einander fest indie Augen. Als für die Leiche eine Grube ausgehoben war, ging er zu ihm hin.
Hat es dir gefallen, Mondgesicht?
Nein, gab Adam zurück, überhaupt nicht.
Wärst du lieber an seiner Stelle gewesen?
Adam ließ die Hand in die Manteltasche gleiten.
Mondgesicht, mich kannst du nicht niederstechen, sagte der Schinder ruhig. Ich drücke dir vorher die Augen aus, er hob zwei Finger, als würde er sich melden, und grinste.
Am nächsten Tag wurde es kalt, sie machten sich zum Aufbruch bereit und marschierten los, in den Nebel hinein. Adam wusste nicht, wo sie waren. Sie hatten noch keinen richtigen Einsatz gehabt, zogen immer nur in den fremden Gebieten umher, als hätten sie damit ihre Aufgabe erfüllt. Sie schleppten sich durch den Frost, es wurde schnell Abend, in der grimmigen Kälte versuchten sie ein Quartier zu finden. Sie hatten Glück, vor Einbruch der Dunkelheit fanden sie eine verlassene Brauerei, die Fässer waren kaputtgeschlagen, die Ställe leer. Sie schliefen wie die Tiere, einander umschlingend, schnarchend, ächzend. Bei Tageslicht machten die Honveds den Ochsenstall sauber. Am ersten Tag war das Stroh noch bequem gewesen, nun hatten sie es niedergetreten, und sie lagen wieder so hart, als wäre nur die gefrorene Erde unter ihnen. Läuse schlüpften aus Hosenbund und Falten, die Honveds kratzten sich und fluchten leise. Die Offiziere wurden in Bauernhäusern untergebracht, abends flackerten Kerzen in ihren Fenstern, Adam und seine Kameraden hörten sogar Gläserklang, doch die Läuse verschonten auch die Offiziere nicht. Adam taten alle Glieder weh vor Kälte, die Blutsauger bissen ihm den Bauch rot. Doch es war nicht ratsam, nach draußen zu gehen.
Der Schwarzhaarige stand breitspurig in der Tür und sagte, er werde Brennholz holen, die Feiglinge sollten nicht frieren. Karl, der dicke Bursche aus Wien, den die anderen wegen seiner Gemütsart mochten, trat zu ihm, ich glaube, du gehst besser nicht, doch der Schwarzhaarige schob Karls weiche Hand weg undspuckte ihm vor die Füße, auch du bist ein feiges Aas, du Wiener. Kichernd lief er in den Nebel hinaus. Und kam nicht zurück. Sie riefen ihn − keine Antwort. Zu viert gingen sie ihn suchen und fanden ihn mit durchschnittener Kehle hinter dem Stall, zähnefletschend hielt er das Reisig umklammert. So einfach, es war so lächerlich, dass das alles gewesen sein sollte, dachte Adam. Man hatte den Henker umgebracht, ihm den Hals durchgesäbelt! Die anderen sahen ihn an, als wäre er für den Mord verantwortlich, sogar Karl machte ein düsteres Gesicht. Dabei hatte Adam, als der Schinder nach einigen plumpen Witzen frech in die Dämmerung hinausgelaufen war, bei einer Runde gesessen, die Anekdoten erzählte, und alle hatten gesehen, dass er seinen Platz nicht einen Moment lang verließ.
Nun ging Adam hinaus, um Holz zu holen, niemand wagte es mitzukommen. Auch Kigl begleitete ihn nur bis zum Stalltor. Adam wusste, dass jede seiner Bewegungen beobachtet wurde. Er wusste, dass man ihm nichts tun würde. Die Lauernden schienen zu denken, dass bald noch andere Verrückte, Tollkühne folgen würden, die sie dann alle zusammen erledigen konnten. Das Abschlachten des Schinders war nur ein Spiel gewesen.
Adam warf die Äste neben die Feuerstelle und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Das wenige Holz wurde bald zu
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