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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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Majors, im Schrank befanden sich säuberlich zusammengefaltete Hosen, Hemden und frische Unterwäsche, in der Ecke die drei Säckchen mit dem Schießpulver, gar nicht sonderlich verborgen. Die geringe Menge genügte zur Bestätigung des Verdachts. Am nächsten Tag wurden die Serben liquidiert. Es waren nicht viele, zwei kreischende Frauen und vier ältere Männer, ein Halbwüchsiger konnte fliehen, ein Husar ritt ihm nach; mit einem einzigen Hieb streckte er ihn nieder. Nachdem der Junge in den Schnee gefallen war, verharrte er in sitzender Haltung und kippte erst einige Momente später zur Seite.
    Einige Offiziere hatten genug von der Willkür der Soldaten, am nächsten Morgen ritten sie nach Szeged zurück, wo sie sofort verhaftet wurden. Umsonst verwiesen sie auf die Willkürakte und das überflüssige Blutvergießen, die Übeltäter waren sie,man betrachtete sie als Deserteure. Die Hinrichtungen fanden am gegenüberliegenden Theißufer statt, neben der Promenade zwischen kahlen Bäumen. Wenn Spitzel, Deserteure und Befehlsverweigerer erschossen wurden, sammelten sich hier die Schaulustigen. Bootsvermieter machten guten Umsatz. Inzwischen waren auch Adam und seine Kameraden in der Stadt, sie waren bei der Exekution zugegen. Kigl kaute ärgerlich an seinem Bart, doch er sagte nichts.
    Warst du schon mal mit einer Frau zusammen?, fragte er unvermittelt.
    Ich habe sogar ein Kind gezeugt, antwortete Adam herablassend, es sollte ungezwungen wirken.
    Ich noch nicht. Nur einmal … Kigl blinzelte verlegen.
    Den Offizieren wurden die Augen verbunden, einer spuckte zur Seite.
    Und wer war das?, fragte er.
    Ich habe ihr Deutschunterricht gegeben.
    Du hast mit einer Schülerin geflirtet?
    Sie war in mich verliebt, sagte Kigl und wurde rot.
    Wer war das Mädchen?
    Die Schüsse knallten, die Offiziere stürzten hin, einer von ihnen röchelte und strampelte mit den Beinen. Der die Hinrichtung kommandierende Leutnant brüllte einen Soldaten an, der ging zögernd auf den Sterbenden zu. Er hielt ihm das Gewahr an den Kopf.
    Klara Pelsőczy, sagte Kigl. Adam schwieg, er starrte in den Pulverrauch, der Offizier zappelte noch, der Schuss krachte, der Wind wehte ihnen den Rauch zu.
    Sie war in dich verliebt?!
    Sicher, wie ich gesagt habe, unsterblich.
    Und du?
    Ich … ich, was soll mit mir sein?! Ich wollte nichts von ihr, sagte Kigl, er war bleich geworden, und Adam bemerkte, dass er eine Frau anstarrte, die am Rand der Menge stand. Es war Klara, auch sie sah bei der Hinrichtung zu.

Krieg
    Der Generalangriff begann am neunten Februar. Adam verstand nicht, und vielleicht juckte es ihn auch nicht, was warum geschah, welche früheren Feuersbrünste und Blutbäder welche Feuer und Massaker zur Folge hatten. Er verstand die Absichten seiner Landsleute sowenig wie die Wut der Serben und die Beweggründe der auf beiden Seiten kämpfenden Österreicher. Er verstand sie nicht, weder die Wahrheit der einen noch die der anderen, und darüber kam ihm auch seine eigene Wahrheit abhanden wie die Zeit, die den Menschen durch die Finger rinnt. Seine Wahrheit wurde die Gleichgültigkeit. Alle blickten auf Gott, der unsichtbar war. Das Gebet war blind. Der Körper war blind, und der Geist war blind. Auch die Liebe war blind, wie die Pflanzen, die das Licht nur fressen. Er zweifelte nicht daran, dass Gott existierte, doch als er geboren wurde, war der Schöpfer nicht in ihm geblieben. Auch wenn der Herr nicht jeden von sich stieß, ihn hatte er mit Sicherheit zurückgewiesen, und er, Adam, erhob keinen Anspruch auf ihn. Alles in seinem Leben verlor an Bedeutung, seine Kindheit, die Mutter, der Vater, die oberflächliche Nettigkeit seiner Freunde, er hätte sein können, wer er wollte, ob er lebte oder ob er starb, in welchen Sumpf oder auf welch glanzvollen Höhen das Schicksal ihn verschlug − was er auch tat, es war einerlei. Er sah keinen Unterschied zwischen tatsächlichen und ersehnten Ereignissen. Mit erschrecktem Staunen stellte er fest, dass er trotzdem liebte. Er liebte so, dass es wehtat, er verfiel in stumme Raserei, er hätte töten können für diese Liebe.
    Fröstelnd saß er neben dem Feuer. Was für ein ausgezeichnetes Ziel er abgab! Es waren die letzten Tage des Dezembers, die Kälte ließ die Nacht erglänzen, in der gewaltigen Himmelskuppel sprühten die Sterne Funken. Er warf ein Scheit ins Feuer und hörte ein Knacken. Er sah zu den Unterkünften seiner Kameraden hinüber, vielleicht sollte er sie alarmieren, doch dannwarf er

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