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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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Soldaten wurden von einem Tag auf den anderen aus den kontrollierten Gebieten abgezogen, die Menschen begannen zu fliehen. Herrenlose Dörfer gingen in Flammen auf, an denen sich freudentrunkene serbische Aufständische wärmten. Und wenn im Oktober Menschen mit den Namen Sztajon, Marosán und Radován angstbebend, besudelt vom Blut ihrer Verwandten, Hab und Gut zurücklassend, Richtung Süden gelaufen waren, so taten nun die Kovács, Tóth oder Fekete das Gleiche, nur in entgegengesetzter Richtung. Der Winter war so kalt, dass der Speichel am Kinn gefror und Reif sich auf Schnurrbarthaaren festsetzte.
    Viele kleine Kinder wurden mit heißem Körper nach Szeged gebracht, wo sie Tage später unter ersticktem Husten ihr Leben ausspuckten. Die Flüchtenden konnten niemanden bestatten. Die Alten, die an den Strapazen starben, wurden am Straßenrand verscharrt, zwei Äste zu einem Kreuz zusammengebunden, man versuchte sich zu merken, wo der Großpapa oder die Großmama ruhten. Das gelang nicht immer. Und was für eine bitterharte Arbeit war es, in der gefrorenen Erde ein Grab auszuheben! Die Frauen lagen unter Pelzen und Decken in den Wehen, der Wagen rumpelte mit ihnen ins weiße Nichts, und wennsie Glück hatten, fanden sie eine Unterkunft. Die Bevölkerung rebellierte, Leute spuckten aus, wenn sie die Namen von Wohlhabenderen hörten, und beschimpften die Soldaten, die sie im Stich gelassen hatten.
    Was seid ihr für Menschen?!, kreischte eine Frau Adam ins Gesicht, als sie einen Hof betraten.
    Habt ihr denn ein Herz?! Uns hier vor die Hunde gehen zu lassen?!
    Sie antworteten nicht, was hätten sie auch sagen sollen.
    Im eisigen Wind konnte Adam kaum sehen, das Gesicht der vermummten Frau war ein einziger riesiger Mund.
    General Vécsey, der für Szeged verantwortliche Offizier der Revolutionsregierung, zog am fünfundzwanzigsten Januar in der Stadt ein. Innerhalb weniger Tage liefen mehrere kaiserliche Generäle und mindestens fünfzig Offiziere zum Feind über. Mit seiner ersten Maßnahme ließ der General auf den Ausfallstraßen der Stadt Schlagbäume errichten, niemand durfte Szeged verlassen. In der Unteren Stadt herrschte Aufruhr, Landarbeiter und Gutsherren zogen über die Führer der Revolution her, Schlägereien und Plünderungen waren an der Tagesordnung. Am Ende der Schulgasse und der Kárász-Straße, an mehreren Stellen der Budaer Straße und neben den Salzlagern am Ufer wurden Kanonen aufgestellt, die laut Bekanntmachung im Interesse der Revolution gegen jedermann eingesetzt werden konnten. Der General kommandierte täglich Reitereinheiten in den Süden, um den wachsenden Druck der Serben auszugleichen. Doch anstatt aufzubrechen, galoppierten die Männer eines Regiments auf dem Markt und in den Gassen der Umgebung auf und ab, rannten Marktfrauen, Verkäufer und Spaziergänger über den Haufen, darunter eine vornehme Dame, die im Krankenhaus der Minoriten ganze Nächte mit der Pflege von Kriegsverletzten zubrachte. Sie ließen ihre Pferde tanzen und grölten. Das war fast eine offene Befehlsverweigerung.
    Adams Einheit marschierte nach Magyarkanizsa. Bei ihrer Ankunft machte das Gerücht die Runde, der hierher abkommandierte Major, ihr direkter Vorgesetzter, halte Schießpulver versteckt und kollaboriere mit den Serben. Wie sich bald herausstellte, war das nicht aus der Luft gegriffen. Der Major und sein Freund, ein hochgewachsener, sich gewählt ausdrückender Leutnant, besuchten häufig eine wohlhabende serbische Familie in der Nachbarschaft, und dort unterhielten sie sich bei Braten, Gebäck und Wein offenbar über die Spielarten des Verrats. Denn warum sonst sollten sie sich mit dem Feind treffen?! An einem mondhellen Abend, als die gutgelaunten Offiziere laut scherzend ins Lager zurückkehrten, wurden sie von Nationalgardisten erwartet. Rufe zerschnitten die Stille, etwas blitzte auf, ein verzweifeltes Schreien stieg zum Himmel auf, um dann in Geröchel überzugehen. Die Offiziere lagen auf dem Hof in ihrem Blut. Fackeln wurden entzündet. Der Schnee war schwarz und matschig. Adam und Kigl sahen alles mit an, nahmen an dem Gemetzel, wie Kigl es nannte, aber nicht teil. Sie hätten ihnen eine Chance geben können, brummte Kigl auf Deutsch. Wozu denn?, fragte Karl, ein gemütlicher Bursche aus Wien, der, obwohl Österreicher, seit Tagen bei ihnen war. Adam und Kigl trotteten den anderen ins Offizierslogis hinterher. Sie fanden Schießpulver, Adam entdeckte es zwischen den schön geordneten Sachen des

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