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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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man verbannt hatte, wenigstens das wusste Peter, und als sie am Nachmittag des nächsten Tages neuerlich herkamen, und am Wochenende noch einmal, liefen die Dinge auf fast gleiche Weise ab, Cicero, Horaz, Schiller und eine Grabrede wandten keinen Blick von ihnen, erst war es Heine, dann Kölcsey, der seine Finger und sonstige Glieder lenkte, bis einmal etwas wirklich Schreckliches passierte, Peter konnte nicht verstehen, wieso er nicht früher aufgemerkt hatte, er hätte der Nüchternere sein müssen, weil Zsófias Blut immer bis zur Bewusstlosigkeit in Wallung geriet, ja, so war es, oft musste er ihr, wenn sie sich dem Finale näherten, den Mund zuhalten, jedoch war ihre Vereinigung, während sein Blick zwischen der Beschreibung des Osmanischen Reichs und der vergoldeten Aufschrift auf dem Rücken eines christlichen Gebetsbuchs hin und her schwankte, Türken, Christen, Türken, Christen, Mohammed und Jesus, Mohammed undJesus, dann auch für Peter so gut, so schmerzlich süß, dass er, obwohl der Schnee im Hof der Bibliothek in abnehmender Entfernung knirschte und er sogar hörte, dass jemand sich pfeifend näherte und dann zu hören war, wie der Reif vom Fensterglas gewischt wurde, und schließlich in dem von den Regalen eingefassten Fenster ein Männergesicht erschien, das geradewegs ihn anstarrte, die einfältige Physiognomie von Zsófias Mann, in der sich weder Neugierde noch Wut oder Bestürzung spiegelte, nur eine urweltliche Blindheit, wie wenn der dumme Mond in einen ausgetrockneten Brunnen starrt, dass er bereits nicht mehr imstande war, sich aufzurichten, zudem hielt ihn auch Zsófia zurück, keine Angst mein Lieber, fürchte nichts, keuchte sie wie im Fieber, er sieht uns nicht, wieso nicht?, keuchte Peter zurück, weil er kein Dichter ist, ächzte sie, und ihr Gesicht fiel zur Seite, weil sie ohnmächtig wurde, so groß war ihre Wonne.

Dem Tode nah
    Berger hatte als einfacher Bootsfischer angefangen, doch bald überrundete er die anderen, er arbeitete Tag und Nacht, und wegen seiner Körperkraft wuchs sein Ansehen. Er warf riesige Holzblöcke in die Luft und schwamm bis zur Biegung oberhalb der Hexeninsel gegen den Strom. Folgerichtig stieg er in der gesellschaftlichen Rangordnung der Theißfischer und -händler immer weiter auf, und als er ganz oben angekommen war, wusste er alles über das Wasser. Er kannte den Fluss, seine Vertiefungen, wo riesige Welse nach turbulenten Raubzügen schliefen, er kannte die launischen Strudel, die Kinder in die Tiefe rissen, er wusste, in welchen Buchten man Sterlets fangen konnte, wie die Sandbänke unter Wasser wanderten, wo die Strömung sanfter wurde und wo der Schlamm des Flussbetts versunkene Salzschiffe, alte Flöße, Kähne verbarg. In den Jahren vor dem Freiheitskampf begann er als einer der ersten, jene Schleppkähne einzusetzen, die wegen der Form ihres Bugs Bassgeigenschiffegenannt wurden. Die Nase des Schiffes bog sich nach oben, der Rumpf war leicht und grazil, und während sich die alten Modelle träge durchs Wasser schleppten, flogen die neuen Schiffe regelrecht dahin. Die Bassgeigenschiffe hatten grün gestrichene Aufbauten, durch Fenster mit Läden konnten die Reisenden das Ufer erspähen. Auch an Wassermühlen erwarb Berger Anteile, die Müller buckelten vor ihm, als wäre er der Kaiser. Während des Freiheitskampfes war er einfacher Soldat gewesen, Offizier wollte er nicht werden, er gebe, sagte er, der Freiheit seine beiden Hände, seine Kraft. Und er kämpfte tatsächlich als einfacher Soldat im Süden, viele seiner Kameraden wussten gar nicht, wen sie vor sich hatten. Wegen einer Handverletzung kehrte er nach Szeged zurück und begab sich nie wieder in Kampfgebiete.
    Peter hatte sich Berger nicht wegen seines Ansehens ausgesucht. Seit Jahren hatte er ein Auge auf den Schiffsbesitzer geworfen, dem das Scheitern des Freiheitskampfes nicht zum Nachteil ausgeschlagen war; obwohl er als Nationalgardist gekämpft hatte, wurde er nicht zur Verantwortung gezogen und vor keine Kommission zitiert, seine Schiffe trafen weiterhin vollbeladen in Szeged ein, die Netze seiner Fischer waren prall gefüllt. Fische brachte er oft auch in die Burg. Ja, dieser Berger war eine verdächtige Figur. Und verband ihn nicht irgendeine dubiose Geschichte mit Zsófia, die im Sommer 1850 ihr zweites Kind geboren hatte?
    An einem strahlenden Herbstnachmittag sprach Peter ihn an. Berger nahm die Pelzmütze ab.
    Wie heißt du?, fragte er leise.
    Peter Schön, und ich wüsste

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