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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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kein Geheimnis, dass er dieser Tage in die Gemeinschaft eingeführt worden ist!
    Nun gab Derera einige Schnarcher von sich.
    Und ganz ähnlich fiel dieser schreckliche Zahnschmerz auf einen Samstag, erinnerst du dich daran, Herr Derera?! Auch damals hast du nach mir geschickt, und du kannst nicht sagen, dass du mich wirklich gebraucht hättest, als ich ankam!
    Derera schnarchte laut, sein Traum hatte sich wohl verdüstert.
    Es stimmt schon, ihr jüdischen Menschen habt seltsame Gesetze: Ich, der Arzt, darf deinen löchrigen Zahn herausreißen, Herr Derera selbst dürfte das nicht tun. Sag, wenn Moses sich am Sabbat einen Nagel eingetreten hatte, ließ er ihn in der Sohle stecken und zog ihn erst am Sonntag heraus? Und wie soll sich jemand am Sabbat freuen, wenn sein Zahn ihn so peinigt, dass er nicht anders kann, als zu brüllen?!
    Ignác Derera seufzte.
    Im übrigen kann dieser wunderkräftige Bernstein bei jeglichem Leiden heilbringend sein!, flüsterte Doktor Schütz.
    Bei dieser Äußerung ging ein Zucken durch Ignác Derera, seine Nase rümpfte sich und zog die Lippen und den bärtigen Fleck des Kinns aufwärts, er nieste. Der Doktor beachtete die nach Bohnen riechende Dunstwolke nicht, er beugte sich so weit hinab, dass er Derera richtiggehend in den fleischigen Mund hineinsprach.
    Ich sehe einen seltsamen Traum, mein Freund. Darin reisen zwei Menschen in ferne Gegenden, ein alter Mann und eine junge Frau, ihr Ziel ist ein trister Festungskerker. Doch denBernstein nehmen sie nicht mit, denn er befindet sich nicht mehr in ihrem Besitz. Sie könnten den Bernstein auch bei sich haben, doch weil sie reisen, hat ihn ein anderer.
    Derera gähnte dermaßen, dass Herr Schütz die rosige Stelle sah, wo sich der ausgerissene Zahn befunden hatte. Der Doktor blickte so düster drein, als hätte ihn die ganze Welt betrogen, doch er nahm sich zusammen, lächelte knirschend und begann von den Eigenschaften des Sternachat zu sprechen.
    Ach, Derera, mein Freund, es heilen ja nicht nur Kräuter, Körner und Öle die Körper und Seelen der Kranken, sondern auch Steine! Eine unangenehme Erinnerung erfüllt uns mit Angst, doch bevor der Kummer unsere Seele vergiften kann, nehmen wir unseren Achatstein in die Hand und schwupp, das Schlechte macht sich aus dem Staub!
    Darauf begann Ignác Derera ein noch lauteres Schnarchen, sein Kopf kippte zur Seite, aus seinen Nasenlöchern lugten höhnisch zitternde Haare hervor. Herr Schütz bemerkte noch, dass wer Glück habe, zwei Sternachate besitze, denn wenn der eine verlorengehe, helfe der andere. Und weil Ignác Derera unerschütterlich weiterschnarchte, grunzte auch der Doktor, rot vor Wut hob er den Stock, Herrgott Sakrament, jetzt wird er dem geizigen Juden eins überziehen. Die Kinder kicherten mit Mäusestimmen, das kleinste klatschte in die Hände. Doch der Arm des Schlafenden streckte sich, als würde er sich räkeln, er stöhnte ein paar Mal genüsslich, dann begannen die Hände sich zu bewegen, zu kreisen, als würde er schwimmen, sie öffneten und schlossen sich immer wieder, das Schnarchen verebbte. Das Antlitz des Händlers glättete sich, seine Atmung wurde gleichmäßig. Er seufzte tief, wie einer, der ans Ziel gelangt ist. Herr Schütz setzte sich schnell wieder.
    Ja?! Ja, mein teurer Freund Derera?!
    Der Schlafende drehte sich zur Wand und begann mit solcher Macht zu schnarchen, dass am Tisch die Krümel auf den Tellern bebten.
    So geschah es, dass am frühen Montagmorgen Armin denDoktor aus dem Schlaf pochte und ihn keuchend bat, sofort zu kommen, sein Vater sei dem Tode nah. Herr Schütz schnappte sich seine Tasche, ergriff das Schächtelchen mit dem Bernstein, besah es traurig, dann hastete er dem Kind hinterher.

Wien im Frühling, dennoch eine Winterreise
    Für die Dauer der Reise würde Zsófia das Kind in ihre Obhut nehmen, und Berger bot sich an, Klaras kleinen Sohn mit dem eigenen Schiff, einem kleineren alten, doch fachmännisch renovierten deutschen Dampfschiff zu ihr zu bringen. Laut Plan würden sie die Theiß hinunterfahren bis Szolnok und von dort im Wagen nordwärts rumpeln, um dann, falls der Zustand der Straßen es zuließ, die frühlingshafte Puszta von Hortobágy zu durchqueren. Berger legte ihnen die Route, die Stationen und die Rastplätze in allen Einzelheiten dar. Als sich der Dampfer vom Ufer entfernte, begann der kleine Junge an der Reling zu zerren, und trotz des Stampfens der Maschinen hörte Klara sein verzweifeltes Plärren. Sie begann ihr

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