Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
Vom Netzwerk:
Tuch zu schwenken, schließlich mahnte Herr Schütz, lassen Sie es sein, meine Liebe, das Schiff ist ja gar nicht mehr zu sehen.
    Die erste wichtigere Station war Pest, dann folgte Pressburg mit seinen vielen Türmen, wo sie von Reb Jichak Solmo erwartet wurden, einem entfernten Verwandten und engen Geschäftspartner Dereras, ein herzlicher Mann, der seinen Wohlstand nicht verheimlichte und mit seiner Familie in einem so großen Steinhaus lebte, wie es nur reichen Szegeder Schiffsbesitzern oder deutschen Bürgern zukam. Wie nett dieser Reb Solmo war! Allerdings verdüsterte sich seine Laune, als Herr Schütz die Versicherungsgebühren und die Quartierkosten der Reise mit ihm abrechnete. Reb Solmo schüttelte stumm den Kopf, am Ende zerriss er sich fast die Kleider, so viel war nicht ausgemacht gewesen mit dem dummen Knöpfler, wie er Derera, seinen Verwandten und guten Freund, nannte! Sondern viel mehr! Imnächsten Moment lachte Reb Solmo aus vollem Halse, es war ausgemacht gewesen, dass die wunderschöne junge Frau, er sah Klara an, mir hier und dort einen Kuss gibt, und er wies auf seine linke und rechte Wange. Herr Schütz kratzte sich ärgerlich den Kopf, lassen wir doch solche Späße, bitte schön.
    Doch Reb Solmo lachte immer weiter, sein Doppelkinn bebte.
    Ach, was wissen diese Wald-und-Wiesen-Brüder in Szeged von der Welt?! Was weiß der kluge, papiergesichtige Löw, oder der Knopfkönig Derera?! Er aber, rühmte sich Jichak Solmo, fahre allwöchentlich nach Wien oder sogar nach Berlin, dem Spree-Athen, wo er wunderbare Dinge sehen könne. Und so weiter, ohne Pause, drei Tage lang prahlte er und machte sich wichtig, bis Marja, seine Frau, ihnen einmal anvertraute, dass ihr Mann, der ein bis zur Ungerechtigkeit zänkischer Mensch gewesen sei, sie schlug die Augen nieder, sie mögen ihr verzeihen, dass sie es ausspreche, doch es sei die Wahrheit, dass also dieser schroffe Mensch im April achtundvierzig, als in Pressburg die Krawalle losgingen, zur Schule gelaufen sei, um sie zu verteidigen. Er sei mit einem Beil im Rücken wieder heimgekommen, buchstäblich, aus seinem Rücken habe der Stiel oder so etwas herausgeragt. Ein gerettetes Glas koschere Marmelade habe er dabei gehabt, halbvoll, was davon fehlte, habe er unterwegs gegessen, um mit etwas Süßem im Mund zu sterben. Gestorben sei er nicht, aber seitdem benehme er sich so. Er habe sich verändert! Nett und aufmerksam sei er, sie könne nichts Schlechtes über ihn sagen, nur sei er unfähig zu schweigen. Sogar im Schlaf spreche er. Marja breitete die Arme aus. Manchmal denke sie, der frühere Solmo wäre ihr lieber, doch die Welt wandle sich nicht ohne Grund.
    Ihnen schwirrte noch der Kopf, als sie in den Zug nach Wien stiegen. Neben dem Waggon rief Solmo, sie mögen Derera sagen, dass nicht der Knopf das Kleid mache!
    In seiner Wut brüllte Herr Schütz zurück.
    Wenn sie nicht zugeknöpft ist, rutscht ihnen die Hose hinunter, Reb Solmo!
    Sie hörten nicht, was er zurückschrie, der Zug pfiff gellend und spie weißen Rauch, und kaum hatte er die erste sanfte Kurve genommen, wurden sie auch schon kontrolliert. Ein schwarz gekleideter Mann, der ihnen schräg gegenübersaß, verlangte ihre Papiere, offenbar hatte der Hose-Knopf-Vergleich sein Interesse geweckt. Er betrachtete die Ausweise lange, um sie dann salutierend zurückzureichen. Von nun an beachtete er sie gar nicht mehr. Am Bahnhof Wiener Neustadt stiegen sie aus, auf Anraten von Herrn Schütz reisten sie mit der Postkutsche weiter. Woher er wohl wusste, dass vor der Station freie Wagen warten würden, jedenfalls fanden sie tatsächlich einen. Während der Fahrt verschleierte ein schwermütiger Nebel den Blick, dabei wogten grüne Weingärten um sie her, üppige Gasthäuser versprachen fabelhafte Gaumenfreuden, Flieder und Tulpen blühten, und auch als die von den Alpen herabströmende kühle Luft sie umfächelte, war das nicht unangenehm.
    Einmal hätte ich mich fast aufgeknüpft, sagte Herr Schütz nachdenklich, und Klara wunderte sich nicht zum ersten Mal, dass ihm dergleichen in den Sinn gekommen war. Dabei hatte sie schon als kleines Mädchen, sicher aus den Erzählungen des Vaters, davon gehört, dass Herrn Schütz die Frau gestorben war und seine Tochter ihn verlassen hatte, weshalb er häufig in Trübsinn verfiel.
    Erinnern Sie sich noch an den Vortrag?, fragte der Alte.
    An jedes Wort, antwortete Klara, sie wusste, dass er Imre meinte, seine verfluchte Darbietung, die ihn ins Unglück

Weitere Kostenlose Bücher