Blumenstrauss
Leuten zusammen, von denen er nicht einmal die Namen gesagt bekam, sodass er sich sehr schwer tat, eine Liste zusammenzustellen.
Vielleicht die nette Verkäuferin, bei der er jeden Vormittag auf dem Weg zum Studio einen Cappuccino kaufte? Auf ihrem Namensschild stand allerdings Tanja. Oder die Kassiererin des Supermarktes, die ihr üppiges Dekolletee in Szene rückte und ihn süß anlächelte, wenn er an das Kassenband trat. Max versuchte, sich daran zu erinnern, was auf ihrem Namensschild stand … B-irgendwas. Womöglich aber auch der geduldige Mechaniker, der ihm vor zwei Wochen erklärt hatte, dass das Auswechseln des Luftfilters zum Standardprozedere einer kleinen Inspektion an seinem Wagen gehörte.
Nein, der kleine stämmige Kerl hatte nicht den Eindruck gemacht, als würde er sich mit Männern einlassen, so süß sein einnehmendes Lächeln auch gewesen sein mochte.
Max schüttelte den Kopf und setzte sich wieder ins Wohnzimmer zu den zwei Blumensträußen. Inzwischen hatte ihr Duft den gesamten Raum eingenommen. Sein Kopf schwirrte leicht von der betörenden Note der Rosen. Oder kam das von der noch immer nicht beantworteten Frage nach dem Absender der Blumen?
Seufzend stellte er das Wasserglas neben die beiden Vasen, beugte sich vor und hielt seine Nase an eine besonders schöne Blüte, um ihren Duft in sich aufzunehmen.
Ein angenehmes Prickeln keimte in seinem Inneren auf.
Auf einmal kam ihm das Gesicht des Lieferanten wieder in den Sinn. Dieser Blumenbote wäre wirklich ein guter Aufmacher für das nächste Magazin, dachte er innerlich seufzend. Vielleicht sollte er ihn ansprechen, wenn er das nächste Mal kam.
Und dass er kam und weitere Sträuße brachte, dessen war sich Max so sicher, wie ihn der Duft der Rosen berauschte.
Der Auftraggeber hatte wahrscheinlich gerade erst angefangen.
Tag 3
Als Britta Simon am Morgen einen weiteren kleinen Stapel handbeschriebener Zettel in die Hand drückte, suchte er direkt nach einem ganz bestimmten Auftrag. Sein Herz machte vor Freude einen Sprung, als er die Adresse las, an die er heute einen weiteren Strauß mit zwanzig Baccara-Rosen liefern sollte. Dabei drehte und wendete er das zugehörige Grußkärtchen und überlegte, ob er es öffnen und die Botschaft lesen sollte. Doch dann siegte seine Vernunft und er schob es ungeöffnet zwischen die großen Blüten, befestigte es sorgsam mit einem glitzernden Goldband an einem Blütenstängel.
Was seine Kunden ihren Angebeteten zu sagen hatten, durfte ihn nicht interessieren. Es war schon genug, dass die Lebensgefährtin seiner Angestellten den Text kannte, auch wenn diese die beauftragten Wörter und Sätze einfach so auf ein kleines Stückchen kostbaren Büttenpapiers oder Karton kritzelte und meist hinterher nicht mehr wusste, was genau sie geschrieben hatte. Andrea war eine Künstlerin und beschäftigte sich mehr mit der kreativen Ausführung der einzelnen Buchstaben, als mit dem Sinn des Textes.
An diesem Tag dachte Simon endlich daran, den Absender des Auftrages anzusehen. Britta hatte nicht viel dazu geschrieben, nur einen Namen: Siegfried Lothringen. Doch der Name sagte ihm alles. Nämlich, dass M. Weber schwul war.
Ein Mann, der von einem anderen Mann teure Rosen geschickt bekam, mit Grußkärtchen, auf deren Umschlag stets: „An meine Liebe“ stand, war eindeutig homosexuell und lebte in einer sehr glücklichen Beziehung.
Einer Beziehung, in die er sich nicht einzumischen und wegen der er daher jedweden Gedanken an diesen gut aussehenden Kerl sofort zu eliminieren hatte.
Eisern bekämpfte er den kleinen Funken Eifersucht, der sich jedoch beharrlich weigerte, totgeschlagen zu werden und stellte den Strauß zu den anderen auf die Ladefläche des Lieferwagens. Als er wenig später wieder vor dem Haus in der Bilfingerstraße stand, schalt er sich, nicht Britta darum gebeten zu haben, den Strauß abzuliefern. Es war eigentlich seine Aufgabe, dennoch war er zuversichtlich, dass ihm eine passende Ausrede eingefallen wäre. Doch nun stand er wieder vor der Hausnummer 4 und seine Finger zitterten noch mehr als am gestrigen Tage, als er die Klingel betätigte.
Klingeln, abliefern, gehen , sagte er sich im Geiste. Mehr brauchte er nicht tun.
„Ja?“, kam es wenige Sekunden später aus der Gegensprechanlage.
„Simons Blütenzauber. Eine Lieferung für Sie“, spulte Simon seinen Satz mechanisch herunter.
Der Türsummer ertönte ohne weiteren Kommentar, als hätte der Bewohner die
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