Blut der Wölfin
Magierfamilie verkauft?«
»Du bist auch von hier, oder? Ich hör’s am Akzent.« Sie lachte. »Beziehungsweise dem Fehlen eines solchen. Warum sind wir uns noch nie begegnet? Du warst mit Sicherheit nie im Miller’s. Daran würde ich mich erinnern.«
»Was ist mit dem Brief? Erinnerst du dich an den?«
»Entfernt.« Sie schob sich unter mir zurecht und legte sich eine Hand unter den Kopf, um es sich bequemer zu machen. »Ich würde lieber über dich reden.«
Ich sah über die Schulter. Clay nickte und verschwand um die Ecke, wo er den Fluchtweg bewachen konnte, ohne dass Zoe seine Anwesenheit bemerkte. Er hielt sich weit genug entfernt, dass sie ihn nicht spüren konnte.
Ich glitt von ihr herunter. Sie blieb noch einen Moment lang am Boden liegen, seufzte fast bedauernd und setzte sich dann auf.
»Was hast du doch gleich gesagt, wie du heißt?«, erkundigte sie sich.
»Habe ich nicht.«
»Ich weiß, ich wollte dir einfach eine Gelegenheit geben, das zu korrigieren.« Sie lächelte; ihre Zähne schimmerten in dem trüben Licht. »Aber wenn du nicht willst, dann haben wir immerhin ein Thema fürs nächste Mal.«
Sie sprang auf und jagte den Durchgang entlang – in die andere Richtung, auf eine zweieinhalb Meter hohe Mauer zu; sie bewegte sich so schnell, dass sie über die Mauer war, bevor ich es auf die Beine geschafft hatte.
Clay stürmte an mir vorbei. Er erreichte die Mauer und sprang, packte die Kante und schwang sich hoch; oben sah er sich um und stellte fest, dass ich ihn noch nicht einmal eingeholt hatte. Er blieb in der Hocke oben auf der Mauer und wartete.
»Nein, geh schon!«, sagte ich. »Rennen und springen, das kann ich nicht. Nicht
so.
«
»Dann folgen wir eben der Fährte.«
Ich schüttelte den Kopf, noch während ich nach seinen Händen griff. »Ihre Witterung ist sehr schwach.«
»Es macht nichts.« Er schloss die Finger um meine Handgelenke und zerrte mich hoch. »Ich lasse dich nicht allein, weißt du noch?«
Er half mir über die Mauer. Wir rannten zum Ende des Durchgangs auf der anderen Seite.
»Da«, sagte Clay.
Wir erwischten einen Blick über die Straße auf Zoe, die gerade in einer Nebenstraße verschwand. Clay griff nach meinem Arm, und wir rannten hinüber. Noch ein paar weitere Straßen und Durchgänge, und wir erreichten ein Stück offenes Land, das sich bis zum Fuß eines bewaldeten Hügels erstreckte.
Clay lachte leise. »Kommt dir das hier bekannt vor, Darling?«
Ich grinste. »High Park.«
Hier war ich joggen gegangen, als ich noch an der University of Toronto studiert hatte. Eine ganz schöne Strecke vom Universitätsgelände, aber ich war willens gewesen, sie zu gehen – oder die U-Bahn zu bezahlen –, um an einem Ort ohne Straßen laufen zu können. Als Clay und ich uns kennengelernt hatten, war dies mehr als jeder andere »unser« Ort gewesen.
Ich beobachtete, wie Zoes weißes T-Shirt zwischen den Bäumen verschwand. Es gab nur eine sichere Methode, sie einzuholen – eine, bei der mein Bauch sich nicht auf meinen Gleichgewichtssinn auswirken würde.
Ich hob die Schnauze und sog einen tiefen Atemzug ein; meine Beine zitterten vor Aufregung. High Park. Selbst in meinen späteren Jahren in Toronto war ich nie in Wolfsgestalt hier rennen gegangen. Zu viele Erinnerungen, alle untrennbar verwoben mit dem einen Umstand, den ich hatte vergessen wollen. Aber jetzt waren wir hier, wie damals in unseren frühen Zeiten, vor dem Biss, bevor mein Leben komplett auseinandergefallen war. Clay war hier, bei mir, und die Einzelteile waren neu zusammengefügt, und das neue Ganze war besser als das Alte.
Ich stieß einen zitternden Seufzer aus und schloss die Augen. Ich spürte das Gewicht in meinem Bauch, schwer und warm und lebendig. Lebendig. In dieser Gestalt hatte ich keinerlei Zweifel – keine Befürchtungen. Alles war einfach – mein Gefährte, mein Welpe, beide in Sicherheit, alles, wie es sein sollte, und die Nacht und der Wald lagen ausgebreitet vor uns, bereit, von uns genossen, erkundet, in Besitz genommen zu werden –
Ein fragendes Winseln dicht an meinem Ohr. Clay sah mich an, den Kopf zur Seite gelegt, ein »Noch da?« in den Augen.
Ja, richtig. Bevor wir uns im Wald vergnügen konnten, gab es da ja noch das kleine Detail eines flüchtenden Vampirs abzuhaken.
Es war neun Tage her, seit ich zum letzten Mal gerannt war, und nun bekam ich die Quittung dafür, als ich Zoes Fährte aufzunehmen versuchte. Jeder andere Geruch, jedes andere
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