Blut der Wölfin
Mittelgang war versperrt. Wenn sie da irgendwo im Schatten war …
»Könntest du sie übersehen haben. Nicht sehr wahrscheinlich, aber …«
»Wir sollten nachsehen.«
Die Wagen standen immer noch an Ort und Stelle; die Frauen redeten jetzt mit zwei Vorschulkindern. Ihre Gesichter leuchteten auf, als sie mich wiedersahen.
»Oh, ist das Ihr Mann?«, fragte eine. »Sie Glückliche – meinen kriege ich nicht mal in die Nähe dieses Museums.«
»Wir hatten noch eine Frau dabei«, sagte ich. »Eine Freundin. Wir haben sie verloren. Ist jemand hier vorbeigekommen?«
»Niemand außer Ihnen«, sagte die Älteste von ihnen. »Es ist heute nicht viel los hier.«
Ich bedankte mich und wandte mich schon zum Gehen, als die Frau mit dem Baby nach dem Strickmuster griff und es mir hinstreckte.
»Hier, nehmen Sie es ruhig. Ich habe noch eine Kopie. Es wird Ihnen Spaß machen, und es ist so entspannend … glauben Sie mir, Sie werden die Entspannung sehr bald brauchen können.«
Die Frauen lachten. Clay nahm das Muster.
»Stricken?« Er sah zu mir hin. »Ja, das kann ich mir vorstellen.«
Er bedankte sich und stopfte es in die Tasche.
Als wir in Richtung Ausgang gingen, murmelte ich: »Wenn du mir jemals Stricknadeln schenkst, zeige ich dir eine ganz neue Verwendung dafür.«
»Ich werd’s mir merken.« Sein Grinsen verblasste. »Wo zum Teufel …«
Er unterbrach sich, als unsere Blicke in die gleiche Richtung gingen … und an demselben Gegenstand hängenblieben. Einer an der Rückwand halb verborgenen Tür.
»Scheiße.«
Clay teilte mir mit einer ruckartigen Kinnbewegung mit, ich sollte stehen bleiben, wo ich war, und Ausschau halten, während er die Tür öffnete.
Ich tat es, er tat es, und dann schlichen wir uns hindurch in einen schmalen Gang. Es war niemand zu sehen, also ging ich ungeschickt in die Hocke und holte tief Atem.
Als ich den Geruch fand, setzten wir uns in Bewegung – leise den Gang entlang. Die Besucher waren nicht die Einzigen, die dem Museum heute fernblieben. Nur ein einziges Mal hörten wir Schritte durch das Gewirr von Gängen hallen, und sie bogen ab, lange bevor sie uns erreicht hatten.
An jeder Tür und jedem einmündenden Gang blieb ich stehen, bückte mich und schnupperte. Die Fährte hielt sich an den Hauptgang. Wusste Rose, dass wir ihr folgten? Oder hatte ihr die Gefahr, in der sie oben gewesen war, so viel Angst gemacht, dass sie jetzt den Hinterausgang suchte?
Wir erreichten eine Treppe, und die Fährte führte hinunter. Rose war nicht im Erdgeschoss geblieben, sondern weitergegangen bis in den Keller. Umso besser. Ich holte das Handy heraus und schaltete es ein, rief Nick an und sagte ihm, er solle sich unten mit uns treffen. Als ich das Gespräch beendete, hätte ich fast eine Stufe verfehlt. Clay packte mich am Arm. Bei der Bewegung stieg mir der Geruch von Blut in die Nase, und ich griff nach seinem Handgelenk. Er sah hinunter auf den »Kratzer«, aus dem das Blut rann, und schnaubte, als sei das ein Grund zur Gereiztheit und nicht zur Besorgnis.
»Es ist tiefer, als ich dachte.«
Er schüttelte den Kopf. »Wahrscheinlich hat sie eine Ader angekratzt oder so was. Nicht weiter wichtig. Jeremy kann sich drum kümmern – später.«
»Vielleicht sollte ich nachsehen …«
»Geh einfach weiter. Ich decke das ab.«
Er zog sich das T-Shirt aus und riss einen Streifen vom unteren Saum. Ich versuchte einen näheren Blick auf den Kratzer zu werfen, aber wir hatten das Ende der Treppe erreicht, und er schob sich an mir vorbei, um die Führung zu übernehmen.
[home]
Hull
D ie Spur endete an einer Tür, die in eine halbdunkle Halle voller Baumaterialien führte. Es war ein Hindernisrennen zwischen Stapeln von Gipskarton und Bauholz, Sägeböcken, Abdeckplanen und Schutt. Ein ganzer Raum voller Verstecke.
Clay legte den Kopf schief, und seine Nasenflügel blähten sich, als er horchte, umhersah und witterte.
Ich kniff die Augen zusammen, damit sie sich an das Licht anpassten, und zählte die Ausgänge. Der am weitesten entfernte war eine offene Tür, die zu einer weiteren Halle zu führen schien, und während ich noch hinsah, schien ein Schatten an ihr vorbeizugleiten. Ich tippte Clay an, um ihn darauf hinzuweisen, und er nickte, woraufhin wir uns wieder trennten und zu der Tür hinübergingen.
Ich war zuerst dort und sah um den Türrahmen herum, wo ich hinter einer von der Decke hängenden Plastikplane eine undeutliche Gestalt erkannte. Clay verspannte sich, aber
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