Blut der Wölfin
Schwerter sehen!«
Rennende Schritte hallten vom Ausgang der Galerie herüber. Die Waffen und Rüstungen waren am anderen Ende, aber Clay zögerte. Als er den Kopf drehte, sah er mich. Ich gab ihm ein Zeichen, er solle warten.
Die Schritte kamen um die Ecke und rannten in unsere Richtung. Die Eltern riefen hinter dem Kind her, aber es war schon zu weit entfernt oder zu aufgeregt, um auf sie zu hören.
Clay zerrte Rose mit sich nach hinten und schaute sich um, während er immer noch Roses Handgelenk mit dem Messer umklammert hielt. Er war vollauf damit beschäftigt, einen Platz auszuspähen, wo er Rose verstecken konnte, bevor das Kind um die Ecke gerannt kam.
»Da!«, zischte ich und zeigte auf eine Lücke zwischen zwei Vitrinen. »Ich lenke …«
Rose bäumte sich auf. Das Messer blitzte, und obwohl Clay sie immer noch gepackt hielt, wich er instinktiv zurück; sein Griff lockerte sich eben so weit, dass sie sich losreißen konnte. Während sie sich aufrappelte und Clay sich wieder auf sie stürzte, kamen zwei Kinder, nicht älter als sieben oder acht, um die Ecke gestürzt und blieben wie erstarrt stehen, den Blick nicht auf uns gerichtet, sondern auf die Frau mit dem Messer, die unmittelbar vor ihnen aufstand mit einem Gesicht, das aus dem makabersten Comic hätte stammen können. Eins der Kinder schrie.
Rose rannte an mir vorbei. Clay stürzte ihr nach.
»Das … wir proben«, sagte ich hastig. »Ein Theaterstück. Das ist ihr Kostüm.«
Ich wollte mehr sagen, aber sobald Clay merkte, dass ich nicht unmittelbar hinter ihm war, würde er die Verfolgung abbrechen. Und um ehrlich zu sein, ich war mir nicht sicher, ob ich wirklich anwesend sein wollte, wenn die Eltern ihre entsetzten Kinder fanden. Also hob ich mit einem schwächlichen Lächeln mein Handy vom Boden auf und rannte Clay nach.
Ich begann ihn einzuholen, als er gerade den Treppenabsatz erreichte. Er sah sich nach mir um; ich winkte ihm, er sollte weiterlaufen, aber er rührte sich nicht von der Stelle, bis ich ihn erreicht hatte.
Rose stürzte die Treppe hinunter; ich sah sie kurz zwischen den riesigen Haida- und Nisga’a-Totempfählen erscheinen, die mitten im Treppenhaus aufragten, und dann wieder hinter ihnen verschwinden. Ich berührte Clay am Arm.
»Langsam«, flüsterte ich. »Soll sie glauben, sie hätte uns abgeschüttelt.«
Er nickte und trat in den Schatten zurück, den Blick nach wie vor auf Rose gerichtet.
»Sie hat mir aufgelauert«, flüsterte er.
»Dann nehme ich an, ihr Hirn verrottet eben doch.«
»Oder sie wollte erst mich aus dem Weg schaffen. Sie kennt allmählich unsere Vorgehensweise.«
»Möglich. Wo zum Teufel steckt ihr Partner?«
»Weiß ich nicht, aber ich halte die Augen offen.«
Ich berührte ihn wieder am Arm, um ihm mitzuteilen, dass wir jetzt losgehen konnten. Als ich die Finger fortnahm, waren sie nass von Blut. Ich packte ihn am Arm, um ihn mir genauer ansehen zu können, aber er machte sich los.
»Bloß ein Kratzer.«
»Sie hat dich mit dem Messer …?«
Er schüttelte den Kopf und zog mich zur Treppe. »Mit den Nägeln.« Er wischte das Blut weg und rannte die Treppe hinunter.
Rose hatte den Absatz im ersten Stock erreicht. Ich hatte erwartet, sie würde weiterlaufen, die Treppe hinunter zum Ausgang des Museums. Stattdessen rannte sie auf die beliebteste Ausstellung überhaupt zu – die Dinosaurier.
Clay stieß ein leises Fauchen der Enttäuschung aus. Die Dinosaurierausstellung liegt unmittelbar unter der europäischen Abteilung, aber sie ist U-förmig angelegt; die Besucher werden an einem Ende hinein- und am anderen wieder hinausgeschleust, und es gibt keine Abzweigungen.
Ich sah Clay an. Wir dachten das Gleiche: wir hatten eine sichere Chance, Rose zu erwischen … wenn wir uns trennten.
Ein Moment des Zögerns, dann nickte Clay und winkte mich zum Ausgang der Abteilung hin.
Ich sah, wie er in Richtung Eingang ging, schlüpfte an meinem Ende in die Abteilung und versuchte mich zu orientieren. In jeder anderen Ausstellung wäre das heute nicht weiter schwer gewesen – ich hätte einfach einen leeren Raum nach dem ersten Lebenszeichen abgesucht. Aber hier hielt sich heute eine ganze Menge Leute auf, die meisten davon unter fünf; offenbar nutzten die Eltern den freien Eintritt und die ansonsten geringen Besucherzahlen, um ihrem Nachwuchs möglichst viel Zeit mit den Dinosaurierknochen zu verschaffen.
Kinder stürmten den Mittelgang entlang, unter den Schädeln der ragenden Skelette
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