Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)
Flugzeuge auf der Rampe kontrolliert, und da Lucy das bereits hinter sich hat, will sie endlich los. Sie hat mich angewiesen, ihr Bescheid zu geben, wenn wir kurz vor dem Ziel sind. Am Krankenhaus wollte sie nicht warten, um keinem Krankentransport Platz machen zu müssen. Das ist zwar im Savannah Community Hospital nicht wahrscheinlich, aber Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste.«
Wir steigen in den Aufzug. Die Glaskabine gleitet nach unten und vorbei an den mit Ranken bewachsenen Balkonen. Ich denke an die Insassinnen, die im Gefängnisgarten arbeiten und die Windhunde spazierenführen. Alle sind sie Schatten ihres früheren Selbst, Täterinnen und Opfer, die weggesperrt worden sind. Und zwar an einen Ort, der als heimliche Todesfabrik diente. Ich stelle mir Kathleen Lawlers und Jack Fieldings erste Begegnung in einem Heim für schwererziehbare Jugendliche vor, ein Kennenlernen, das eine Kette von Ereignissen ausgelöst hat. Es hat Leben verändert und zerstört. Einschließlich die der beiden Beteiligten.
»Wenn Sie Karten für die Bruins oder, noch besser, die Red Sox auftreiben können, besuche ich Sie vielleicht bald«, sagt Colin.
»Falls Sie je daran denken sollten, Georgia zu verlassen …« Wir durchqueren die Vorhalle und treten in schwüle Hitze und sengenden Wind hinaus.
»Ich bin nicht auf Jobsuche«, entgegnet er, als wir in den Land Rover steigen.
»Sie sind im CFC immer willkommen«, erwidere ich. »Wir haben im Norden auch gute Barbershop-Quartette. Außerdem scheint die Heizung bei dieser Kiste prima zu funktionieren«, füge ich hinzu, als er das Gebläse einschaltet. »Sicher würde sie auch wunderbar mit Schneeverwehungen, Blizzards und Eisregen zurechtkommen.«
Ich rufe Marino an. Am Geräusch erkenne ich, dass er noch im Auto sitzt und vermutlich nach Charleston fährt.
»Wo bist du?«, frage ich.
»Etwa dreißig Minuten südlich«, antwortet er. Er klingt bedrückt, vielleicht auch traurig.
»Wir müssten gegen zwei in Charleston landen. Ich möchte, dass du dann da bist.«
»Ich weiß nicht …«
»Aber ich weiß es, Marino. Wir werden den 4. Juli oben im Norden bei einem späten Abendessen feiern und die Hunde von der Hundesitterin holen. Wir alle zusammen«, entgegne ich, als das alte Krankenhaus in Sicht kommt.
Im Savannah Community Hospital, das kurz nach dem Bürgerkrieg eröffnet wurde, hat Kathleen Lawler vor dreiunddreißig Jahren ihre Zwillinge zur Welt gebracht. Es ist ein weiß abgesetztes Gebäude aus rotem Backstein, das zwar sämtliche medizinischen Fachbereiche abdeckt, aber keine Notaufnahme hat. Deshalb landen nur noch selten Helikopter hier. Der Hubschrauberlandeplatz ist eine kleine Wiese, auf der eine ziemlich verschlissene orangefarbene Windhose steht. Ringsherum ragen Bäume in den Himmel. Sie knacken und schwanken, als sich dröhnend der schwarze Bell 407 nähert und elegant auf den hinteren Kanten seiner Kufen aufsetzt.
Wegen des Lärms der Rotoren müssen wir schreien, um uns von Colin zu verabschieden. Dann nehme ich auf dem linken vorderen Sitz Platz, Benton steigt hinten ein, wir schnallen uns an und setzen Kopfhörer auf.
»Ziemlich eng hier«, meine ich zu Lucy, die schwarz gekleidet ist und die Instrumente überprüft. Sie ist in ihrem Element, denn am wohlsten fühlt sie sich, wenn sie der Schwerkraft trotzen und Hindernisse überwinden kann.
»Bei diesen alten Kästen sparen sie sich meistens die Mühe, die Bäume zurechtzustutzen«, hallt ihre Stimme durch den Kopfhörer, während ich spüre, wie wir immer leichter werden und abheben. Bald liegt das Krankenhaus weit unter uns.
Colin, der uns nachwinkt, wird auf dem Boden immer kleiner, als wir uns hoch über die Bäume erheben. Dann fliegen wir los und steuern auf die Gebäude und Dachfirste der Altstadt zu. Unter uns schlängelt sich der Fluss, dem wir zum Meer folgen, erst in nordöstliche Richtung, wo Charleston liegt, und anschließend nach Hause.
Dank
Mein Dank gilt dem Navy and Marine Corps Public Health Center und Dr. Marcella Fierro, Dr. Jamie Downs und den anderen Experten, die mir bei meinen Recherchen eine große Hilfe waren, sowie Stephen Braga, der so freundlich war, sein Wissen zum Thema Strafrecht mit mir zu teilen.
Wie immer danke ich Dr. Staci Gruber für ihre unglaublichen technischen Fähigkeiten und Kenntnisse, ihre Geduld und ihre aufmunternden Worte.
Die Originalausgabe erschien 2011 unter dem Titel
Red Mist im Verlag G. P. Putnam’s Sons, New
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