Blut für Blut: Thriller (German Edition)
anzufangen.
»Was hatten Sie für einen Eindruck von Kissi Schack?« Reza rutschte ein wenig auf dem Sofa hin und her, auf dem man nicht besonders bequem saß.
Randis Gesicht nahm wieder einen angespannten Ausdruck an, und das Sofakissen bekam ein paar weitere Schnipser ab.
»Ich weiß nicht … Kissi machte einen netten Eindruck, aber sie war auch ein Mensch, der gerne im Mittelpunkt stand. Immer. Ein bisschen wie die Jugendlichen heute, die alles tun, um bei einer Realityshow oder so was dabei zu sein. Sieh mich an, sieh mich an. So war Kissi auch, und das ging oft auf Kosten anderer, unter anderem auf Peters.«
Randi Lindgren trank einen Schluck Wasser, bevor sie fortfuhr: »Ich meine, es gibt andere ebenso kompetente Sozialarbeiter in Dänemark wie Kissi, mehrere sind sogar tüchtiger als sie. Trotzdem hat man immer Kissi zu diesem und jenem im Radio, im Fernsehen oder in der Tagespresse interviewt.«
Jetzt können ja alle anderen zu Wort kommen, kam Rebekka nicht umhin zu denken, während sie die Frau ihr gegenüber ansah. Es bestand kein Zweifel, dass Randi Lindgren sich im Namen ihres Mannes tief gekränkt fühlte durch Kissis Beharren auf ihrer Fachkompetenz, doch sie würde aus diesem Grund wohl kaum einen Mord begehen. Dagegen wäre es interessant zu wissen, inwieweit Randi Lindgren über die Gefühle ihres Mannes für Kissi Bescheid wusste. Eifersucht war das häufigste Mordmotiv.
»Ihr Mann schien Kissi sehr zu schätzen?«
Randi kniff die Augen fest zusammen, während Rebekka die Frage stellte.
»Peter ist wie die meisten Männer nicht gerade gut darin, die wahre Natur eines Menschen und nicht zuletzt die einer Frau zu durchschauen. Peter hat Kissi als enge Kollegin und gute Bekannte gemocht, aber mehr war da nicht. Wir pflegten, wie gesagt, privat keinen Kontakt.«
Wenn du wüsstest, wie oft dein Mann bei Kissi angerufen hat, um zu reden , dachte Rebekka und sah die Telefonlisten vor sich. Oder vielleicht weißt du es ja. Würdest du alles verlieren, wenn Peter dich verließe? Dann wollte Reza wissen, wie es ihrem Mann gesundheitlich ging.
»Peter hat einen Herzschrittmacher eingesetzt bekommen, es ist alles gut gelaufen, und es geht ihm bereits sehr viel besser. Er ist natürlich noch immer sehr erschöpft, und er möchte im Krankenhaus bleiben, bis er sich ganz gesund fühlt, aber wir freuen uns darauf, dass er bald nach Hause kommt, die Kinder und ich. Sie fragen die ganze Zeit nach ihm. Ich habe ihnen gesagt, dass er auf Dienstreise ist. Sie verstehen es trotzdem nicht, und Peter ist es zu viel, wenn sie ihn im Krankenhaus besuchen.« Randi lachte kurz auf. »Nun gut, wir müssen einen Schritt nach dem anderen tun, dann wird es schon gehen. Das sage ich Peter auch immer, wenn er sich um etwas Sorgen macht. Einen Schritt nach dem anderen, mein Freund .«
____
Rebekka saß mit einer gerade geöffneten Flasche Rotwein und einer Schale voll Chips auf der Fensterbank, als ihr Handy klingelte. Sie warf einen Blick auf den Wecker auf ihrem Nachttisch, es war kurz nach elf, und vermutlich war das Michael, der ihr Gute Nacht sagen wollte – er und Amalie mussten am nächsten Morgen früh aufstehen, um zum Flughafen zu fahren. Sie sprang von der Fensterbank, griff nach dem Telefon und sah, dass die Nummer unterdrückt war. Brodersen? Sie meldete sich zögernd und war überrascht, Niclas’ Stimme zu hören. Er sei in der Nähe, erzählte er, und würde gerne vorbeikommen und das Täterprofil durchgehen, das er gerade von der Profilergruppe bekommen hatte. Ob sie wohl Zeit hätte? Einen Moment stand sie verwirrt mitten im Zimmer und sah sich mit einem Röntgenblick um, ob es aufgeräumt genug war, einen Fremden hereinzulassen. Die Wohnung war okay – um sie selbst war es da schon schlechter bestellt. Sie hatte sich eine schwarze Radlerhose und ein verwaschenes übergroßes T-Shirt angezogen, sobald sie von der Arbeit nach Hause gekommen war, und sah nicht gerade präsentabel aus. Komm ruhig, hörte sie sich sagen, dann knallte sie den Hörer auf, lief ins Bad, um sich die Zähne zu putzen und mit einer Bürste durch die dunklen Haare zu fahren. Sie hatte die Haarbürste gerade weggelegt, als es an der Tür klingelte. Schon. Sie warf einen verzweifelten Blick in den Spiegel und ließ Niclas herein.
»Das ging aber schnell«, konnte sie nicht umhin zu bemerken, doch er lächelte sie lediglich an, hängte den Mantel an einen Haken und ging mit der größten Selbstverständlichkeit mit seiner Mappe
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