Blut für Blut: Thriller (German Edition)
stürmte aus der Tür mit Kurs auf den Park Søndermarken. Die Rippen taten noch immer ein wenig weh, doch sie ignorierte den Schmerz und zwang ihren Körper vorwärts, zunächst noch etwas schwerfällig, doch allmählich fand sie zu einem gleichmäßigen, schnellen Tempo. Ein paar andere Läufer sowie einige einzelne Hundebesitzer waren ebenfalls unterwegs, und sie genoss den frühen Morgen, den Duft des grünen Grases, den Schweiß, der ihr den Körper hinunterlief, und ihren pochenden Puls, der sich mit dem Rhythmus des iPod mischte.
Eine Stunde später trat sie durch die Tür des Polizeipräsidiums. Das Gebäude wachte langsam auf, doch die meisten Büros waren noch leer. Sie setzte Kaffee auf, warf Jacke und Tasche auf den Schreibtisch und wollte gerade ihren Computer hochfahren, als sie aus dem Nachbarbüro ein leises Schnarchen hörte. Sie steckte den Kopf durch die Tür. Das Büro war leer, der Computer ausgeschaltet, auf den Stühlen saß niemand, doch es bestand kein Zweifel, dass jemand dort lag und schnarchte. Sie sah sich verwirrt um, bis sie ein Paar große Füße entdeckte, die unter den zusammengeschobenen Schreibtischen vorragten.
»Hallo, wer liegt denn da?«, fragte sie, trat zu den Tischen und beugte sich nach vorn. Es war der große Schwede, der zusammengekrümmt dort unten lag und schlief. Was für ein seltsamer Ort, um zu schlafen. Hatte der Mann kein Hotel? Das hatten die ausländischen Polizisten doch sonst? Nichtsdestotrotz war sie amüsiert.
»Guten Morgen«, rief sie laut, und der Körper auf dem Boden zuckte zusammen. Kurz darauf tauchte ein verschlafenes Gesicht über der Schreibtischkante auf.
»Guten Morgen«, murmelte Niclas.
Sie musste sich beherrschen, um nicht zu lachen, als sie ihn sah. »Hast du die ganze Nacht da auf dem Boden verbracht? Das sieht nicht sehr bequem aus.«
»Ich kann dir versichern, dass es das auch nicht ist. Aber ich habe die Nacht durchgearbeitet und bin zum Schluss mehr oder weniger vom Stuhl gerutscht, so kaputt war ich.«
Niclas kam langsam auf die Beine und streckte seinen muskulösen Körper, der dabei laut knackte. Dann lächelte er Rebekka schief an.
»Ich brauche den größten Kaffee der Welt«, sagte er, und Rebekka beschloss, ihm seinen jämmerlichen Einstand, sowohl was das kognitive Verhören als auch was ihre Milch anging, zu verzeihen, und bot ihm an, ihnen beiden einen Kaffee zu holen.
Als sie nach ein paar Minuten zurückkam, sah Niclas etwas frischer aus. Er hatte sich Wasser ins Gesicht gespritzt und die Fenster geöffnet, um zu lüften.
Dankbar griff er nach der Tasse, und einen Augenblick standen sie sich linkisch gegenüber und nippten an dem warmen Getränk. Niclas brach als Erster das Schweigen: »Soweit ich das verstanden habe, ermittelt ihr in einem Mord an einer bekannten Sozialarbeiterin …«
Sie nickte, eifrig bestrebt, das Schweigen zu brechen.
»Stimmt. Leider fehlt uns ein Durchbruch. Der Regen hat alle verwertbaren Spuren weggewaschen, und auf den ersten Eindruck war Kissi Schack, so heißt die Ermordete, sehr beliebt. Trotzdem hat irgendjemand ihr Gesicht bis zur Unkenntlichkeit zerschmettert und sie über den Wall gestoßen. Aber warum? Das wissen wir noch nicht.«
Rebekka sah Niclas an, der sie aufmerksam betrachtete. Er hatte eine schmale Narbe über dem Nasenrücken, die ihm ein hartgesottenes Aussehen gab.
»Keine Verdächtigen?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Gibt es etwas Neues bei den Vergewaltigungen, dass du die ganze Nacht hier verbracht hast?«
»Leider nein. Aber ich bin jeden Fall noch mal minutiös durchgegangen. Habe mir jedes winzig kleine Detail gemerkt. Wir müssen diesen Mann kriegen, bevor er noch eine Frau umbringt.«
»Habt ihr ein Täterprofil erstellt?«, fragte Rebekka.
»Die Profilergruppe sitzt gerade daran. Wir müssen diesen Mistkerl einfach kriegen, diesen verdammten Mistkerl.«
Niclas sah sie finster an und fügte hinzu: »Louise Kristensen aus der Toldbodgade scheint sich rein körperlich zu erholen, aber so viel Glück hatten nicht alle. Kennst du die schwedischen Fälle?«
Er wartete ihre Antwort nicht ab, sondern wühlte in den Papieren und Akten auf seinem Schreibtisch und zog ein paar Fotografien heraus, die er ihr reichte.
»Das ist Moa Nelson, wie sie vor anderthalb Jahren aussah.« Er zeigte ihr ein Foto von einer jungen, schönen Frau mit langen dunkelbraunen Haaren. Die Frau saß zurückgelehnt auf einem Sofa, ein langstieliges Glas Sekt in der Hand. Vermutlich
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