Blut für Blut: Thriller (German Edition)
er jedes Mal gestrahlt hatte wie ein Weihnachtsbaum, wenn er Kissi gesehen hatte – als wäre er in sie verliebt. War unerwiderte Liebe nicht ein häufiges Mordmotiv? Sie schielte kurz zu ihm hinüber. Er machte einen ungewöhnlich nervösen Eindruck, als hätte er ein schlechtes Gewissen. Er sollte nicht ungeschoren davonkommen.
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»Verdammt, sind das viele Verhörprotokolle, die wir lesen müssen.«
Reza beugte sich mit Schwung auf dem Stuhl vor, und Rebekka blickte zu ihm hinüber. Das Telefon auf dem Schreibtisch klingelte. Reza griff schnell nach dem Hörer, glücklich über die Unterbrechung. Im gleichen Moment klingelte Rebekkas Handy in ihrer Tasche. Auf dem Display stand Michael , und ihr Herz machte vor Freude einen Satz. Sie meldete sich sofort.
»Entschuldige, Schatz.« Er kam direkt zur Sache, und sie spürte, dass sie sich freute, dass er das tat. »Entschuldige, ich habe überreagiert. Ich war nur so schrecklich sauer, enttäuscht und traurig.« Er zögerte kurz und fuhr dann fort: »Du hast ja recht, wir sollten einfach unsere Beziehung genießen, das genießen, was wir haben. Alles andere kann kommen, wenn es so weit ist. Wollen wir einfach einen Strich unter das Ganze ziehen?«
»Aber klar, es ist so schön, deine Stimme zu hören.« Sie zögerte. »Meine Tante ist tot.«
»Das ist nicht wahr.« Michael schwieg ein paar Sekunden. »Wann ist das passiert?«
»Gestern.«
»Warum hast du nicht angerufen und mir davon erzählt, Bekka?«
»Ich weiß nicht.« Sie rieb sich die Augen, es stimmte, sie wusste nicht, warum. Es knarrte in der Leitung, und laute, frohe Stimmen drangen an ihr Ohr. Jemand griff nach dem Telefon, und plötzlich klang Amalies helle Stimme durch den Hörer.
»Hey, ich bin’s, Amalie, rat mal, wo Papa und ich sind?«
»Hey, Amalie, lass mich raten. Es ist so laut, seid ihr …«
»Das ist Legoland, wir sind in Legoland!«, rief das Mädchen begeistert, und Rebekka konnte ein Lächeln nicht unterdrücken.
»Das klingt gut, Amalie, ich wünschte, ich wäre bei euch«, sagte sie spontan, und das Mädchen begann von den verschiedenen Vergnügungen und dem vielen Eis und den Hotdogs zu erzählen, die sie schon gegessen hatte. Kurz darauf überließ sie das Telefon wieder ihrem Vater.
»Ich vermisse dich, Bekka. Es tut mir leid, das mit deiner Tante tut mir echt leid.«
»Denk nicht dran. Ich komm zurecht, ich bin ja voll und ganz mit der Ermittlung beschäftigt …«
»Trotzdem.«
»Es ist in Ordnung. Ich bin froh, dass du angerufen hast.«
»Das bin ich auch.«
Als sie kurz darauf das Gespräch beendete, war sie gut gelaunt und fühlte sich innerlich leicht.
»Ich fahre zum Inder und hole uns etwas zu essen. Worauf hast du Lust?«
Sie griff nach ihren Autoschlüsseln, und Reza sah sie überrascht an.
»Du fährst zum Inder. Ich traue meinen Ohren nicht, in der Regel ist das doch mein Job.«
»Heute ist es meiner«, lachte sie und fügte hinzu: »Ich gehe davon aus, dass du das Übliche willst: Tikki masala mit viel Naanbrot?« Er nickte, und sie lief aus dem Raum.
Sie entschied sich, das Auto stehen zu lassen und stattdessen zur Istedgade hinter dem Hauptbahnhof zu laufen, wo es ein phantastisches indisches Restaurant gab, das sie durch Reza kennengelernt hatte, als sie in der Mordkommission angefangen hatte. Der Sommerabend war lau und hell, vom Tivoli her summte es vor Leben, und als sie den Halmtorv erreicht hatte, wimmelte es in den Straßencafés nur so von Menschen. Ihre Gedanken kreisten um Michael und sie. Das Wochenende war, gelinde gesagt, eine Katastrophe gewesen, und obwohl sie noch immer eine kleine Distanz zwischen ihnen spürte, hatte es gutgetan, mit ihm zu reden. Sie mussten sehen, dass ihre Beziehung trotz der Entfernung zwischen Ringkøbing und Kopenhagen funktionierte. Herrgott noch mal, sie waren schließlich nicht die Einzigen auf der Welt, die ein paar Stunden fahren müssen, um sich zu sehen. Sie lächelte vor sich hin und schob die trüben Gedanken beiseite. Jetzt war Licht in Sicht.
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Rebekka war völlig erschöpft, als sie vier Stunden später ihre Wohnung aufschloss. Die Dunkelheit klebte an den Fenstern wie schwarze Farbe. Sie ging ins Schlafzimmer und zog sich aus, dann trottete sie nackt ins Bad und stellte sich unter die Dusche, drehte das Wasser voll auf und blieb lange unter dem lauen Strahl stehen. Danach wickelte sie sich in ihren weißen Bademantel, ging in die Küche und nahm sich den letzten Rest Wein vom Vorabend.
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