Blut für Blut: Thriller (German Edition)
Dabei fiel ihr auf, dass sie trotz des üppigen indischen Essens noch Hunger hatte, doch der Kühlschrank war gähnend leer. Ganz hinten im Küchenschrank fand sie etwas dunkle Schokolade und stopfte sie gierig in sich hinein, während sie den Wein trank. Sie war auf dem Weg ins Bett, als ihr Dorte einfiel. Sie griff nach dem Handy und wollte die Freundin gerade anrufen, als ihr klar wurde, dass es bald Mitternacht war. Sie fluchte laut über ihre Vergesslichkeit. Dorte stand auf ihrer Erinnerungsliste für den morgigen Tag ganz oben. Sie kroch unter die Decke, spürte das kühle Bettzeug auf der nackten, feuchten Haut und hatte plötzlich Lust, Michaels Stimme zu hören. Sie rief ihn an, ließ es klingeln, und als schließlich der Hörer abgenommen wurde, drangen laute Stimmen und lärmende Musik an ihr Ohr.
»Bei Michael. Wer ist da?« Die zwitschernde Stimme klang verdächtig nach Bettina Pallander, der Sekretärin im Polizeipräsidium in Ringkøbing. Rebekka spürte ein Ziehen im Bauch und wollte gerade etwas sagen, als Michael ans Telefon kam.
»Michael.«
»Ich bin’s. Was ist denn bei dir los?« Sie hörte selbst, wie scharf ihre Stimme klang.
»Ach, das war nur Bettina, sie ist drangegangen, weil ich oben in der Bar ein Bier geholt habe.«
Michaels entspannter Ton ärgerte sie. Er wusste ganz genau, dass sie es nicht mochte, wenn Bettina seine Gespräche annahm. Bettina Pallander war ebenso alt wie Rebekka und jahrelang in Michael verliebt gewesen. Es hatte wohl auch einen One-Night-Stand gegeben, bevor Rebekka aufgetaucht war, und obwohl Michael beteuerte, dass er nie mit Bettina zusammen sein könnte, bestand kein Zweifel, dass Bettina das absolut nicht so sah.
»Warum seid ihr zusammen ein Bier trinken?« Rebekka bereute die Frage in dem Augenblick, in dem sie über ihre Lippen kam. Natürlich konnte Michael mit seinen Kollegen ausgehen, das tat sie selbst auch – trotzdem nagte die Eifersucht an ihr.
»Wir fliegen nach Mallorca.«
»Du hast es also geschafft, eine Reise für dich und Amalie zu buchen? Das ist schön.«
»Nicht nur für uns – ich habe es geschafft, eine Reise für uns alle zusammen zu buchen.«
Michael klang froh und leicht beschwipst, und Rebekka verschlug es die Sprache.
»Für euch alle zusammen. Was meinst du damit, dass ihr alle zusammen nach Mallorca fliegt?«
»Ja, David, Susanne und Bettina kommen auch mit.« Er zögerte kurz, bevor er fortfuhr: »Irgendwie ist es deprimierend, als Erwachsener alleine mit einem Kind zu verreisen, deshalb habe ich – aus Spaß – gefragt, ob nicht jemand mitkommen will. Und das wollten sie. Alle drei.« Er kicherte leise. »Wir hatten Glück, dass alle in dem Hotel ein Zimmer bekommen haben, aber die Hauptsaison hat natürlich auch erst gerade begonnen.«
»Das klingt doch nett. Dann wünsche ich viel Vergnügen.« Ihre Stimme troff vor Sarkasmus. Susanne und David waren Michaels engste Kollegen, das war okay, aber Bettina …
»Bekka«, sagte Michael und entfernte sich etwas von dem Lärm. »Hör auf, das ist doch kein Problem. Ich habe dich gefragt, ob du mit uns fahren willst, und du konntest nicht. Jetzt fahre ich stattdessen mit ein paar Kollegen, und das ist nicht okay?«
Michael klang verletzt, und sie bereute ihren schroffen Ton und wechselte schnell das Thema. Sie redeten kurz über die Ermittlung, bevor sie sich Gute Nacht sagten und auflegten. Rebekka schloss die Augen, versuchte zu entspannen, doch die Unruhe nagte an ihr. Sie konnte wegen ihrer Arbeit nicht nach Mallorca fliegen, doch das konnte Bettina; sie wusste nicht, ob sie bereit war, zusammenzuziehen und Kinder zu bekommen – doch das war Bettina. Sie zog die Decke ganz hoch, und trotz der warmen Dusche, der Decke und der lauen Sommernacht zitterte sie vor Kälte.
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»Ich mag mir euren Scheiß einfach nicht länger anhören. Ich gehe.«
Trine knallte die Tür zur Wohnung ihrer Eltern so fest zu, wie sie konnte, und lief die Treppe hinunter, während sie vor Wut kochte. Die Streitereien zwischen ihr und den Alten waren inzwischen so heftig, dass sie es bald nicht mehr aushielt. Sie war seit Kurzem Studentin, und ihre neu gewonnene Freiheit bedeutete, dass sie zu Hause ausziehen konnte, sobald sie eine billige Wohnung gefunden hatte. Sie suchte bereits seit Wochen, doch obwohl durch die Finanzkrise genug Wohnungen leer standen, waren sie alle sehr viel teurer, als dass Trine sie sich von ihrem Gehalt als ungelernte Verkäuferin bei Tøj&Sko in der
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