Blut für Blut: Thriller (German Edition)
ihrem Anrufbeantworter hinterlassen hatte. Angst machte sich in ihm breit, und er hörte seine Stimme vor Furcht vibrieren, als er rief: »Wer ist das, Liam? Sag doch was.«
Liam antwortete nicht, reichte ihm nur mit einem seltsamen Gesichtsausdruck den Hörer, worauf seine Beklommenheit noch zunahm.
»Hallo«, flüsterte er mit fremder Stimme ins Telefon.
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Kissi Schacks Haus lag nahe am Sortedamssee. Rebekka und Reza blieben einen Augenblick stehen und betrachteten den kleinen Vorgarten mit den bepflanzten Töpfen, bevor sie an der Tür klingelten. Es war schließlich nicht ausgeschlossen, dass noch jemand hier wohnte, ein Mieter, ein Au-pair oder eine Freundin. Niemand öffnete. Das Namensschild an der Tür war groß und aus solidem Messing: Schack stand dort in einfachen Blockbuchstaben. Sie warteten noch ein paar Minuten schweigend, bevor sie sich ins Haus einließen. Es roch leicht abgestanden und nach Blumen, als sie in die kleine Diele traten. An den Haken hingen diverse Jacken und Tücher, die alle einer Frau zu gehören schienen.
»Ich nehme mir die untere Etage vor«, sagte Rebekka, und Reza nickte und stapfte nach oben. Die Treppe knarrte unter seinem Gewicht. Das Erdgeschoss bestand aus einer großen Wohnküche und einem Wohnzimmer mit Ausgang in einen kleinen, gemütlichen Hintergarten. Ein aufgeästeter Blauregen nahm die Hälfte des Innenhofs ein und beschattete das eine Küchenfenster. Das Haus hatte eine gute Atmosphäre, fand Rebekka. Alles war weiß, Wände, Böden und der größte Teil der Möbel, nur durchbrochen von farbiger Kunst. Rebekka sah sich gründlich um, öffnete den Kühlschrank, der ziemlich leer war. Es gab einen Liter ökologische Milch, und etwas weiter hinten lagen ein Stück Käse, einige Mohrrüben und ein paar Zitronen. Eine halb volle Tasse stand auf dem Küchentisch, und daneben lag ein kleines Adressbuch in einem lila Ledereinband. Es war bei L aufgeschlagen. Rebekka ließ ihren Finger an der Reihe der Namen entlanggleiten: Larsen, Ole; Lindgren, Peter. Sie mussten das Telefonbuch im Präsidium durchgehen, dachte sie und steckte es in eine durchsichtige Plastiktüte. Politiken lag ausgebreitet auf dem Tisch, die Seite mit den Todesanzeigen aufgeschlagen. Rebekka überflog die Anzeigen, aber nicht eine sprang ihr ins Auge, die Verstorbenen waren alle älter und auf den ersten Blick unbekannt. Sie öffnete die Küchenschränke, kramte in einem Stapel auf dem Küchentisch liegender Unterlagen. Nichts von Interesse. Sie öffnete die Terrassentür zum Innenhof, und eine Amsel flog erschrocken aus einem Rhododendronbusch in der Ecke auf. Am weitesten von der Tür entfernt stand ein alter Schuppen. Rebekka öffnete seine Tür und fand eine kleinere Leiter vor, ein paar Säcke mit Erde und ein paar Gartengerätschaften. Sie schloss den Riegel wieder und sah zu den umliegenden Häusern hoch. Man wohnte nah beieinander im Kartoffelrækkerne-Viertel; sie mussten mit allen Nachbarn reden, jemand könnte etwas Wichtiges gehört oder gesehen haben. Sie ging zurück ins Haus. Das weiße Sofa war einladend breit und wirkte mit den Kissen in unterschiedlichen Lilanuancen und einer dazu passenden Decke sehr gemütlich. Zwischen den Kissen lag ein Buch mit der Rückseite nach oben. Rebekka hob es hoch. Die Frau in dir hieß es, und Rebekka konnte dem Covertext entnehmen, dass es sich um ein Selbsthilfebuch für Frauen reiferen Alters handelte, die in Kontakt mit ihren femininen Seiten kommen wollten. Sie schauderte. Sie mochte keine Selbsthilfebücher, sie hatte sich in den Neunzigerjahren, als diese Art Bücher in Mode kamen, durch diverse Exemplare geackert. Sie war nicht klüger davon geworden, ganz im Gegenteil, nur deprimierter darüber, noch mehr Schuld auf ihre Schultern geladen zu bekommen, weil sie es nicht schaffte, die ganzen guten Ratschläge zu befolgen, die es zu befolgen galt, wenn man weiterkommen wollte. Nee, dann lieber rein in die Laufschuhe mit guter Musik in den Ohren, eine Kombination, mit der sich selbst die schwärzeste Stimmung kurieren ließ.
»Rebekka. Kommst du mal!«, rief Reza von oben, und Rebekka ging in die schmale Diele und sprang die Treppenstufen hinauf. Die erste Etage des Hauses bestand aus einem modernen Badezimmer und einem großen, hellen Schlafzimmer. Reza stand im Badezimmer und kramte in dem Schränkchen über dem Waschbecken. Rebekka steckte den Kopf ins Bad, und er winkte triumphierend mit ein paar Pillenschachteln, die er in seinen
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