Blut Schatten
er vage, ging die Straße entlang und begann aufgeregt zu trippeln: »Gruppenkaraoke ! Wie geil ist das denn? Kommt mit.«
»Steven!« Mein Ruf verebbte unbeachtet. Ich fühlte Kimberlys ratlosen Blick auf mir. »Wie wirken sich Drogen auf einen Vampir aus?«
»Keine Ahnung. Wir fahren ihm besser nach.«
Eilig sprangen wir wieder in den Wagen. Kim wendete und fuhr Steven nach, der ein enormes Tempo vorlegte. Derweil murmelte sie unaufhörlich Flüche vor sich hin, die ich besser nicht wiedergeben werde.
Konzentriert lenkte Kimberly den Wagen die Straße entlang, bemüht, den vor uns laufenden Steven nicht aus den Augen zu verlieren. Abrupt blieb er stehen, blickte sich kurz um und bog dann nach rechts ab.
»Das glaube ich jetzt nicht«, rutschte es mir heraus, als ich am Ende der Straße eine beleuchtete Kirche erblickte, aus der wir schon aus dieser Entfernung die Klänge eines Gospelchors vernahmen. Steven eilte geradewegs darauf zu. Dann fiel es uns wie Schuppen von den Augen, und wir riefen gleichzeitig: »Karaoke!«
Kimberly gab Gas. Kurz darauf brachte sie den Wagen inmitten einer Reihe anderer Fahrzeuge nahe der Kirche zum Stehen. Noch bevor das letzte Motorgeräusch verklungen war, sprangen wir heraus und rannten, so schnell wir konnten, auf das Gebäude zu, sahen jedoch nur noch die Kirchentür hinter Steven zufallen. Er hatte doch nicht allen Ernstes ... ?
»Halleluja«, murmelte Kimberly und stürzte ihm hinterher. Kurz vor mir riss sie die Tür auf, und uns schmetterte ein Holy Lord! entgegen.
Völlig überrumpelt blieb ich mitten in der Tür stehen, sah mich um und wäre am liebsten im Erdboden versunken. Viele dunkle Augen aus vielen farbigen Gesichtern starrten uns irritiert und fragend an und entlockten mir ein unbehagliches Lächeln. Die Kirche war zwar recht klein, aber bis in den hintersten Winkel voll von Menschen. Farbigen Menschen. Ich schien neben Kimberly das einzige Bleichgesicht in dieser illustren, fröhlich singenden und tanzenden Runde zu sein.
Ein beherzter Griff an meinem Oberarm brachte mich in Bewegung. »Jetzt steh nicht wie ein dussliges Weißbrot rum und geh schon.« Sie schob mich vor sich her in eine der hinteren Sitzreihen, wo uns sogleich Platz gemacht wurde. »Siehst du Steven irgendwo?«
Ungeachtet unserer Ankunft ging vorne am Altar die Show weiter, und der Gospelchor schmetterte einen weiteren Song, wobei sich einige gegenseitig zu übertönen versuchten. Dann hielt der Geistliche dieser Gemeinde voller Inbrunst eine Predigt, die oft von den bestätigenden Worten seiner Gemeindemitglieder untermauert wurde. Derweil versuchten wir Steven zu finden. In Anbetracht der tiefgläubigen Gelassenheit hier im Gotteshaus ging ich davon aus, dass er beim Betreten des heiligen Bodens aus mir unbegreiflichen Gründen nicht in Flammen aufgegangen war. Eine Panik wäre sonst unvermeidlich gewesen.
Ein weiteres Lied schallte durch das Gebäude. Auf einmal erblickte ich Steven direkt neben der ersten Reihe, wo er im Takt von einem Fuß auf den anderen federte. Ich atmete erleichtert durch und stupste Kimberly vorsichtig an. Sogleich nutzten wir das allgemeine Tanzen und Singen als Deckung, um uns weiter in seine Richtung zu schieben.
Gerade als ich meine Hand nach ihm ausstreckte, stimmte der Chor Amazing Grace an. Steven sprang begeistert nach vorn und entwischte mir abermals. Hilflos konnte ich nur zusehen, wie er beschwingt auf das Podest zuhüpfte, lauthals mitsang und nebenbei fast das steinerne Taufbecken umstieß. Etwas Wasser schwappte über, und ich kniff die Augen zusammen, ging insgeheim schon in Deckung. Doch nichts geschah. Die Gemeinde trällerte weiter, der Chor hatte nichts an Lautstärke verloren.
Zögernd öffnete ich das erste, dann riss ich das zweite Auge weit auf. Steven hatte die Stufen zum Altar erklommen, tupfte die übergeschwappte Flüssigkeit mit dem Altartuch ab und rückte dann eine der Kerzen gerade. Und in dieser ganzen Zeit sang er inbrünstig und völlig unmelodisch den Refrain des aktuellen Liedes mit.
»Wieso brennt er nicht?«, flüsterte Kimberly neben mir, und auch ich konnte nur ahnungslos mit den Schultern zucken. Was immer ihn derzeit schützte, ich war unendlich dankbar dafür. Welcher Schock die Gemeinde erfasst hätte, wenn Steven am Altar schlagartig in Flammen aufgegangen wäre, wollte ich mir nicht ausmalen.
Der Chorleiter hatte Steven inzwischen entdeckt und winkte ihn zu sich heran. Einen Moment lang legte er ihm einen Arm um
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