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Blut - Skeleton Crew

Blut - Skeleton Crew

Titel: Blut - Skeleton Crew Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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alles anders aussehen, und dann konnten wir gemeinsam nach Brower suchen. Wilden musste verreisen, und Henry hatte ›gesellschaftliche Verpflichtungen‹. Ich dachte, dass es eine gute Möglichkeit für Davidson wäre, etwas Selbstachtung zurückzugewinnen.
    Aber als ich am nächsten Morgen zu seinem Apartment kam, war er noch nicht aufgestanden. Ich hätte ihn vielleicht geweckt, aber er war ein junger Bursche, und ich beschloss, ihn den Morgen verschlafen zu lassen, während ich selbst einige grundsätzliche Sachverhalte klärte.
    Als Erstes ging ich hier vorbei und unterhielt mich mit Stevens’ …« Er drehte sich zu Stevens um und zog eine Braue hoch.
    »Großvater, Sir«, sagte Stevens.
    »Danke.«
    »Nichts zu danken, Sir.«
    »Ich unterhielt mich mit Stevens’ Großvater. Ich sprach sogar genau an der Stelle mit ihm, wo Stevens jetzt steht. Er sagte mir, dass Raymond Greer, ein Mann, den ich oberflächlich kannte, sich für Brower verbürgt hatte. Greer war bei der städtischen Handelskommission, und ich ging unverzüglich zu seinem Büro im Flatiron-Building. Ich fand ihn, und er empfing mich sofort.
    Als ich ihm erzählte, was am Vorabend geschehen war, spiegelte sein Gesicht eine Mischung aus Mitleid, Niedergeschlagenheit und Furcht wider.
    ›Der arme alte Henry!‹, rief er. ›Ich wusste, dass es dazu kommen würde, aber ich hätte nie gedacht, dass es so schnell passieren würde!‹
    ›Was?‹, fragte ich.
    ›Sein Zusammenbruch‹, sagte Greer. ›Er rührt von seinem Jahr in Bombay her, und vermutlich wird niemand außer Henry je die ganze Geschichte kennen. Aber ich werde Ihnen erzählen, was ich weiß.‹
    Die Geschichte, die Greer mir an jenem Tag in seinem Büro erzählte, vertiefte mein Mitgefühl und mein Verständnis. Henry Brower, so schien es, war anscheinend unglückseligerweise in eine echte Tragödie verwickelt worden. Und wie in allen klassischen Bühnentragödien, war sie auch in diesem Fall durch einen fatalen Fehler ausgelöst worden – in Browers Fall Vergesslichkeit.
    Als Mitglied der Handelskommissionsgruppe in Bombay hatte er ein Auto benützen dürfen, dort eine ziemliche Seltenheit. Greer erzählte, dass Brower ein fast kindliches Vergnügen daran hatte, damit durch die engen Straßen und Gassen der Stadt zu fahren, Hühner in großen, gackernden Scharen auseinanderzujagen und zu beobachten, wie Männer und Frauen auf die Knie fielen und zu ihren heidnischen Göttern beteten. Er fuhr damit überall hin und erregte großes Aufsehen, und Scharen zerlumpter Kinder folgten ihm, aber wenn er ihnen anbot, sie in der wunderbaren Maschine mitzunehmen, was er immer tat, liefen sie weg. Das Auto war ein Ford Modell A mit einer Lieferwagen-Karosserie und eines der ersten Autos, die nicht nur mit einer Kurbel sondern auch durch Knopfdruck angelassen werden konnten. Merkt euch das bitte.
    Eines Tages fuhr Brower mit diesem Auto quer durch die ganze Stadt, um eines der dortigen »hohen Tiere« wegen der eventuellen Lieferung von Juteseilen zu besuchen. Er erregte sein übliches Aufsehen, als der Ford knatternd und mit Fehlzündungen durch die Straßen rollte und sich anhörte wie ein Artilleriebataillon – und natürlich folgten die Kinder.
    Brower war bei dem Jutehersteller zum Abendessen eingeladen, eine ausgesprochen förmliche und zeremonielle Angelegenheit, und sie waren erst beim zweiten Gang auf einer Freiluftterrasse über der belebten Straße, als unter ihnen plötzlich das vertraute knatternde, hustende Brüllen des Automotors ertönte, begleitet von Schreien und Kreischen.
    Einer der wagemutigeren Jungen – der Sohn eines obskuren heiligen Mannes – war in der Überzeugung in das Auto geklettert, dass der geheimnisvolle Drachen, der sich unter dem Metall verbergen musste, ohne den weißen Mann am Steuer nicht aufgeweckt werden konnte. Und Brower, der sich auf die bevorstehenden Verhandlungen konzentrierte, hatte die Zündung nicht ausgeschaltet.
    Man kann sich vorstellen, wie der Junge unter den bewundernden Blicken seiner Kameraden immer mutiger wurde, den Spiegel berührte, das Lenkrad bewegte und das Geräusch der Hupe nachahmte. Je häufiger er dem Drachen unter der Motorhaube eine lange Nase machte, desto ehrfürchtiger müssen die anderen Jungen geworden sein.
    Er muss mit dem Fuß die Kupplung getreten haben, möglicherweise um sich zu stützen, als er auf den Anlasserknopf drückte. Der Motor war heiß; er sprang sofort an. Der Junge muss in seinem Schrecken

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