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Blut - Skeleton Crew

Blut - Skeleton Crew

Titel: Blut - Skeleton Crew Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Stadt ihm einen Meter achtzig Erde zugewiesen.‹ Das führte wieder zu einem Ausbruch seniler Heiterkeit.
    ›War etwas ungewöhnlich?‹, fragte ich, wagte aber nicht, die Frage deutlicher zu formulieren. ›Etwas Besonderes? ‹
    ›Ich scheine mich an was zu erinnern … Warten Sie mal …‹
    Ich holte einen Dollar heraus, um seinem Gedächtnis nachzuhelfen, aber diesmal lachte er nicht, obwohl der Schein ebenso rasch verschwand.
    ›Ja, etwas war schon merkwürdig‹, sagte der Alte. ›Ich hab für so viel von ihnen den Totengräber geholt, dass ich das weiß. Blutiger Jesus, so ist es! Ich hab welche gefunden, die vom Haken in der Tür runterbaumelten, ich hab sie tot im Bett gefunden, ich hab sie im Januar steifgefroren und so blau wie der Atlantik mit einer Flasche zwischen den Knien beim Notausgang gefunden. Einmal hab ich sogar einen gefunden, der im Waschbecken ertrunken war, das ist aber über dreißig Jahre her. Dieser Bursche – er saß in seinem braunen Anzug aufrecht da wie ein vornehmer Maxe aus der Oberstadt mit ordentlich frisiertem Haar. Mit der linken Hand hielt er die rechte umklammert, so war’s. Ich hab schon alles Mögliche gesehen, aber der war der Einzige, der gestorben ist, während er sich selbst die Hand geschüttelt hat.‹
    Ich verabschiedete mich und ging den ganzen Weg bis zu den Docks, und die Worte des Alten spulten sich in meinem Gehirn immer wieder ab, wie bei einer Schallplatte, die in einer Rille hängen geblieben bist. Er ist der Einzige, der gestorben ist, während er sich selbst die Hand geschüttelt hat.
    Ich ging bis zum Ende einer Pier, wo das schmutzige graue Wasser gegen die verkrusteten Pfähle schwappte. Und dort zerriss ich den Barscheck in tausend Fetzen und warf sie ins Wasser.«
    George Gregson rekelte und räusperte sich. Das Feuer war bis auf eine eigensinnige Glut niedergebrannt, Kälte kroch ins verlassene Spielzimmer. Die Tische und Stühle sahen gespenstisch und unwirklich aus, wie Möbelstücke, die man flüchtig in einem Traum gesehen hat, in dem sich Vergangenheit und Gegenwart vermischen. Die Glut tauchte die Buchstaben auf dem Schlussstein in mattes orangefarbenes Licht: Es kommt auf die Geschichte an, nicht auf den Erzähler.
    »Ich habe ihn nur einmal gesehen, und einmal war genug; ich habe ihn nie vergessen. Aber es half mir, aus meiner eigenen Trauerzeit herauszukommen, denn jeder Mann, der sich unter seinen Mitmenschen bewegen kann, ist nicht ganz allein.
    Wenn Sie mir meinen Mantel bringen, Stevens, ich glaube, ich gehe nach Hause – ich habe meine übliche Schlafenszeit schon weit überschritten.«
    Und als Stevens ihn gebracht hatte, lächelte George und deutete auf ein kleines Muttermal unter Stevens’ linkem Mundwinkel. »Die Ähnlichkeit ist wirklich bemerkenswert, wissen Sie – Ihr Großvater hatte an genau der gleichen Stelle ein Muttermal.«
    Stevens lächelte, antwortete aber nicht. George ging, und kurz danach wir anderen auch.

Dünenwelt
    Föderationsschiff ASN/29 fiel vom Himmel und zerschellte. Nach einer Weile quollen zwei Männer aus seinem zertrümmerten Schädel heraus wie Gehirn. Sie gingen ein kleines Stück, blieben dann mit unter die Arme geklemmten Helmen stehen und betrachteten, wo sie gelandet waren.
    Es war ein Strand, der keinen Ozean benötigte – er war sein eigener Ozean, ein freskenhaftes Sandmeer, die schwarzweiße Momentaufnahme eines für immer zu Wellenbergen und Wellentälern, Wellenbergen und Wellentälern erstarrten Meeres.
    Dünen.
    Flache, steile, glatte, verwehte. Messerscharfe Dünen, abgeflachte Dünen, unregelmäßig gezackte Dünen, die aussahen, als hätte man Dünen aufeinandergeschichtet – ein Dünen-Domino.
    Dünen. Aber kein Ozean.
    Die Täler, die die Furchen zwischen diesen Dünen bildeten, zogen sich als wirre schwarze Rattenlabyrinthe dahin. Wenn man diese wirren Linien lange genug betrachtete, schienen sie Worte zu bilden – schwarze Worte, die über den weißen Dünen schwebten.
    »Scheiße«, sagte Shapiro.
    »Fluch nicht«, sagte Rand.
    Shapiro wollte ausspucken, besann sich dann aber eines Besseren. Beim Anblick von so viel Sand besann er sich eines Besseren. Es war wahrscheinlich vernünftiger, keine Flüssigkeit zu verschwenden. Im Sand halb begraben, sah ASN/29 nicht mehr wie ein sterbender Vogel aus; es glich einem Kürbis, der aufgeplatzt war und sein verfaultes Inneres darbot. Feuer war ausgebrochen. Alle Steuerbord-Treibstofftanks waren explodiert.
    »Schlimm, das

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