Blut - Skeleton Crew
Flüsse? Grünflächen? Meere, sodass es ein richtiger Strand statt einer Wüste gewesen war?
Shapiro stand neben Rand und dachte darüber nach. Der stetige Wind zerzauste sein Haar. Und mit einem Schlag war er davon überzeugt, dass es das alles einst gegeben hatte, und er konnte sich vorstellen, wie das Ende ausgesehen hatte.
Der langsame Rückzug der Städte, als ihre Wasserwege und Erholungsgebiete von dem kriechenden Sand zuerst gesprenkelt, dann bestäubt und schließlich zugedeckt und erstickt wurden.
Er sah die braunen angeschwemmten Schlammfächer, zuerst glänzend wie Seehundfelle, aber immer stumpfer, als sie sich von den Flussmündungen weg ausbreiteten – immer weiter und weiter, bis sie miteinander verschmolzen.
Er sah, wie aus glattem seehundfellartigem Schlamm zuerst schilfbewachsener Morast, dann grauer, körniger Kies und zuletzt wandernder weißer Sand wurde.
Er sah Berge immer kleiner werden wie gespitzte Bleistifte, sah ihre Schneegipfel schmelzen, als der steigende Sand warme Aufwinde mit sich brachte; er konnte die letzten Felsspitzen in den Himmel ragen sehen wie die Fingerspitzen lebendig begrabener Menschen; er sah, wie auch sie schließlich von den idiotischen Dünen bedeckt und sofort vergessen wurden.
Wie hatte Rand sie genannt?
Allgegenwärtig.
Wenn du gerade eine Vision gehabt hast, Billy-Boy, dann eine verdammt schreckliche.
Oh, aber nein, das war sie nicht. Sie war nicht schrecklich; sie war friedlich. Sie war so beruhigend wie ein Nickerchen am Sonntagnachmittag. Was war friedlicher als der Strand?
Er schüttelte diese Gedanken ab. Ein Blick zum Raumschiff zurück half ihm dabei.
»Es wird keinen Todeskampf für uns geben«, sagte Rand. »Der Sand wird uns einfach zudecken, und nach einer Weile werden wir der Sand, und der Sand wird wir sein. Surf City ohne Surf – kapierst du den Witz, Bill?«
Und Shapiro war beunruhigt, weil er ihn kapierte. Es war beim Anblick dieser Dünen unmöglich, ihn nicht zu kapieren.
»Verdammtes Rauschkopf-Arschloch«, sagte er. Er ging zum Raumschiff zurück.
Und versteckte sich vor dem Strand.
Schließlich ging die Sonne unter. Am Strand – an einem richtigen Strand – legte man um diese Zeit den Volleyball weg, zog ein Sweatshirt über und holte Würstchen und Bier raus. Zum Schmusen war es noch zu früh, aber fast so weit. Um diese Zeit freute man sich aber schon aufs Schmusen.
Würstchen und Bier hatten nicht zu den Vorräten von ASN/29 gehört.
Shapiro verbrachte den Nachmittag damit, das gesamte Wasser des Schiffs sorgfältig zu sammeln. Mithilfe eines Handsauggeräts saugte er das auf, das aus den geplatzten Adern im Versorgungssystem des Schiffs ausgelaufen war und Pfützen auf dem Boden gebildet hatte. Er fing den kleinen Rest auf, der im zerschmetterten Wassertank der Hydraulikanlage übrig geblieben war. Er vergaß nicht einmal den kleinen Zylinder in den Eingeweiden der Luftreinigungsanlage, die in den Lagerräumen für Luftzirkulation sorgte.
Zuletzt ging er in Grimes’ Kabine.
Grimes hatte Goldfische in einem kugelförmigen, speziell auf Schwerelosigkeit zugeschnittenen Aquarium gehalten. Der Tank bestand aus unzerbrechlichem, transparentem Polymerplastik und hatte die Katastrophe unbeschädigt überstanden. Die Goldfische waren – ebenso wie ihr Besitzer – nicht unzerbrechlich gewesen. Sie trieben als matt orangefarbene Klumpen oben in der Kugel, die unter Grimes’ Koje gelandet war, zusammen mit drei Paar sehr schmutziger Unterwäsche und einem halben Dutzend pornografischer Holografiewürfel.
Einen Augenblick hielt er das kugelförmige Aquarium in Händen und sah starr hinein. »Ach, armer Yorick, ich kannte ihn gut«, sagte er plötzlich und lachte schrill und überreizt. Dann holte er das Netz, das Grimes in seinem Spind aufbewahrt hatte, und tauchte es hinein. Er holte die Goldfische heraus und überlegte, was er damit machen sollte. Nach einem Augenblick ging er zu Grimes’ Koje und hob das Kopfkissen hoch.
Es war Sand darunter.
Er legte die Fische trotzdem darunter, dann goss er das Wasser behutsam in den Benzinkanister, der ihm als Sammelbehälter diente. Es musste geklärt werden, aber selbst wenn die Kläranlage nicht funktioniert hätte, hätte es ihm in einigen Tagen, dachte er, nichts mehr ausgemacht, Aquariumwasser zu trinken, nur weil vielleicht ein paar Schuppen und etwas Goldfischscheiße darin schwammen.
Er klärte das Wasser, teilte es und trug Rands Anteil zum Dünengipfel
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