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Blut - Skeleton Crew

Blut - Skeleton Crew

Titel: Blut - Skeleton Crew Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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stapfte mit kurzen, kräftigen Schritten durch den Sand, wobei er unbewusst versuchte, die symmetrische Perfektion von Abhang und Oberfläche zu zerstören.
    »Wohin gehst du?« Rands Stimme verriet zum ersten Mal eine Andeutung von Beunruhigung und Wachsamkeit.
    »Das Notsignal«, sagte Shapiro. »Ich werde es einschalten. Wir befanden uns auf einer kartographisch erfassten Route. Man wird es empfangen und zurückverfolgen. Es ist eine Frage der Zeit. Ich weiß, die Chancen sind beschissen, aber vielleicht wird jemand kommen, bevor …«
    »Das Notsignal ist im Eimer«, sagte Rand. »Ist beim Aufprall passiert.«
    »Vielleicht kann man es reparieren«, rief Shapiro über die Schulter. Als er sich durch die Schleuse duckte, fühlte er sich besser, trotz der Gerüche – durchgeschmorte Leitungen und bitteres Freongas. Er sagte sich, dass er sich besser fühlte, weil ihm das Notsignal eingefallen war. Wie nutzlos auch immer, das Notsignal gab ihm gewisse Hoffnung. Aber in Wirklichkeit hatte nicht der Gedanke ans Notsignal seine Stimmung gehoben; wenn Rand sagte, es wäre kaputt, so war es durch und durch wahrscheinlich kaputt. Aber er konnte die Dünen nicht mehr sehen – konnte diesen riesigen, endlosen Strand nicht mehr sehen.
    Darum fühlte er sich besser.
     
    Als er in der trockenen Hitze mit hämmernden Schläfen und laut keuchend wieder den Gipfel der ersten Düne erreichte, stand Rand immer noch bewegungslos da und starrte, starrte, starrte. Eine Stunde war vergangen. Die Sonne stand direkt über ihnen. Rands Gesicht war schweißnass. Schweißperlen hingen in seinen Augenbrauen. Tropfen liefen ihm über die Wangen wie Tränen. Andere Tropfen rannen ihm an den Halsmuskeln hinab in den Halsausschnitt seines US-Anzugs wie Tropfen farblosen Öls in den Körper eines ziemlich guten Androiden.
    Rauschkopf habe ich ihn genannt, dachte Shapiro schaudernd. Mein Gott, genauso sieht er aus – nicht wie ein Androide, sondern wie ein Rauschkopf, der sich gerade mit einer sehr großen Nadel eine Nackenspritze gesetzt hat.
    Und außerdem hatte Rand sich doch geirrt.
    »Rand?«
    Keine Antwort.
    »Das Notsignal war nicht zerbrochen.« Rands Augen flackerten kurz auf. Dann stierte er wieder mit leerem Blick auf die Sandberge. Erstarrt hatte Shapiro sie zunächst im Geiste bezeichnet, aber vermutlich bewegten sie sich doch. Es wehte ein stetiger Wind. Bestimmt bewegten sie sich. In einem Zeitraum von Jahrzehnten oder Jahrhunderten würden sie … nun, sie würden wandern. Wurden Stranddünen nicht so genannt? Wanderdünen? Er glaubte, sich aus seiner Kindheit daran zu erinnern. Oder der Schule. Oder sonst woher, aber was spielte das auch schon für eine Rolle?
    Er sah ein dünnes Rinnsal Sand, das an der Seite einer Düne hinabglitt. Als hätte sie gehört
    (gehört, was ich dachte.)
    Frischer Schweiß im Nacken. Na gut, er bekam Muffensausen. Wer nicht? Sie saßen in der Klemme, einer vertrackten Klemme. Und Rand schien das nicht zu wissen … oder es war ihm gleichgültig.
    »Es war etwas Sand hineingeraten, und der Summer war gesprungen, aber davon hatte Grimes mindestens sechzig in seinem Ersatzteilkasten.«
    Ob er mich überhaupt hört?
    »Ich weiß nicht, wie der Sand hineingeraten ist – es war an seinem Platz, hinter der Koje im Lagerraum, durch drei geschlossene Luken von der Außenwelt abgeschirmt, aber …«
    »Oh, Sand verteilt sich. Dringt überall ein. Weißt du noch, wie das war, wenn man als Kind zum Strand ging? Man kam nach Hause, und die Mutter schimpfte einen, weil überall Sand war. Sand in der Couch, Sand auf dem Küchentisch, Sand im Bett am Fußende. Strandsand ist sehr …« Er machte eine vage Geste, und dann überzog das verträumte, beunruhigende Lächeln wieder sein Gesicht. »… allgegenwärtig.«
    »… aber es ist unbeschädigt«, fuhr Shapiro fort. »Das Notstromaggregat funktioniert, und ich habe das Notsignal daran angeschlossen. Ich hab eine Minute die Kopfhörer aufgesetzt und eine Äquivalenzsondierung im Umkreis von fünfzig Parsch durchgeführt. Klingt wie eine Motorsäge. Sieht besser aus, als wir hoffen durften.«
    »Niemand wird kommen. Nicht einmal die Beach Boys. Die Beach Boys sind alle schon seit achttausend Jahren tot. Willkommen in Surf City, Bill. Surf City ohne Surf.«
    Shapiro sah zu den Dünen. Er fragte sich, wie lange der Sand schon hier sein mochte. Eine Billion Jahre? Eine Quintillion? Hatte es hier einmal Leben gegeben? Vielleicht sogar vernunftbegabte Wesen?

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