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Blut - Skeleton Crew

Blut - Skeleton Crew

Titel: Blut - Skeleton Crew Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Wut – denn nach allem, was geschehen war, waren wir wirklich eins geworden. Sie können sich das überwältigende Gefühl intensiver Paranoia nicht vorstellen, die Überzeugung, dass sich alles gegen uns verschworen hatte.
    Sie waren zu zweit. Einer war ein gebeugter Schatten in der Dunkelheit vor uns. Der andere hielt eine Taschenlampe. Er kam auf uns zu, und das Licht bewegte sich auf und ab wie ein gespenstisches Auge. Es war nicht nur Hass. Es war auch Angst – Angst, dass man uns im letzten Moment alles verderben würde.
    Er schrie etwas, und ich kurbelte das Fenster herunter.
    »Sie können hier nicht durchfahren! Fahren Sie über die Bowen Road! Wir haben hier eine gerissene Stromleitung. Sie können nicht …«
    Ich stieg aus dem Auto aus, hob die Schrotflinte und feuerte beide Läufe auf ihn ab. Er wurde gegen den orangefarbenen Lkw geschleudert, ich stolperte gegen den Polizeiwagen. Er rutschte zentimeterweise zu Boden, wobei er mich ungläubig anstarrte, dann fiel er in den Schnee.
    »Sind noch Patronen da?«, fragte ich Nona.
    »Ja.« Sie gab mir welche. Ich klappte die Schrotflinte auf, warf die leeren Hülsen heraus und lud nach.
    Der Kumpel des Mannes hatte sich aufgerichtet und sah fassungslos herüber. Er rief mir etwas zu, aber der Wind trug seine Worte davon. Es klang wie eine Frage, aber das spielte keine Rolle. Ich würde ihn töten. Ich ging auf ihn zu, und er stand nur da und sah mich an. Er bewegte sich nicht, nicht einmal als ich die Flinte hob. Ich glaube nicht, dass er begriff, was vorging. Ich glaube, er hielt es für einen Albtraum.
    Ich feuerte aus einem Lauf, aber zu tief. Schnee wirbelte auf und hüllte ihn ein. Erst jetzt stieß er einen lauten Entsetzensschrei aus, sprang mit einem Satz über die Stromleitung auf der Straße und lief weg. Ich feuerte den anderen Lauf und verfehlte ihn wieder. Dann verschwand er in der Dunkelheit. Er war uns nicht mehr im Weg. Ich ging zum Streifenwagen zurück.
    »Wir werden zu Fuß gehen müssen«, sagte ich.
    Wir gingen an der Leiche vorbei, stiegen über die Stromleitung und liefen die Straße entlang, den Spuren des fliehenden Mannes nach. Manche Schneeverwehungen reichten mir bis zu den Knien, aber sie war mir immer ein Stück voraus. Wir keuchten beide.
    Wir kamen über einen Hügel in eine schmale Senke. Auf einer Seite stand ein baufälliger Schuppen mit scheibenlosen Fenstern. Sie blieb stehen und packte mich am Arm.
    »Dort«, sagte sie und deutete in die andere Richtung. Ihr Griff war sogar durch meinen Mantel kraftvoll und schmerzhaft. Ihr Gesicht war eine triumphierende, starre Fratze. »Dort. Dort.«
    Es war ein Friedhof.
     
    Wir stolperten und rutschten die Böschung hoch und kletterten über eine schneebedeckte Steinmauer. Auch hier war ich selbstverständlich schon gewesen. Meine leibliche Mutter stammte aus Castle Rock, und obwohl sie und mein Vater nie hier gewohnt hatten, befand sich das Familiengrab hier. Die Eltern meiner Mutter, die in Castle Rock gelebt hatten und gestorben waren, hatten es ihr zum Geschenk gemacht.
    Während der Geschichte mit Betsy war ich oft hergekommen, um die Gedichte von John Keats und Percy Shelley zu lesen. Sie werden das vermutlich für albern und unreif halten, aber ich nicht. Auch heute noch nicht. Ich fühlte mich ihnen nahe, getröstet. Nachdem mich Ace Merrill verprügelt hatte, war ich nie wieder hier gewesen. Nicht, bis Nona mich herführte.
    Ich rutschte aus, fiel in den losen Pulverschnee und verstauchte mir den Knöchel. Ich stand auf, ging weiter und benutzte die Schrotflinte als Krücke.
    Die Stille war grenzenlos und unglaublich. Der Schnee fiel als weiche, gerade Linien, sammelte sich auf den schiefen Grabsteinen und Kreuzen und begrub alles, bis auf die Spitzen der verrosteten Flaggenhalterungen, die nur am Memorial Day und am Veterans Day Flaggen trugen. Die Stille war unheilig in ihrer Unermesslichkeit, und zum ersten Mal wurde ich von Schrecken gepackt.
    Sie führte mich zu einem Steingebäude am Hügel im Hintergrund des Friedhofs. Eine Gruft. Ein schneebedecktes Grabmal. Sie hatte einen Schlüssel. Ich wusste, dass sie einen Schlüssel haben würde, und sie hatte einen.
    Sie blies den Schnee von der Türkante und fand das Schlüsselloch. Das Geräusch des Schlüssels, der sich im Schloss drehte, schien über die Dunkelheit zu kratzen. Sie lehnte sich gegen die Tür, und diese schwang nach innen.
    Der Geruch, der uns entgegenwehte, war herbstlich kühl, so kühl wie die Luft

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