Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blut - Skeleton Crew

Blut - Skeleton Crew

Titel: Blut - Skeleton Crew Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
so beunruhigt.
    Schick den Jungen zu mir, Ruth. Schick ihn her.
    Nein. Er weint.
    Sie ist jetzt gefährlicher … du weißt, was ich meine.
    Wir alle lügen unseren Kindern über Omi etwas vor.
    Weder er noch Buddy. Keiner war je mit Omi allein gelassen worden. Bis heute.
    Plötzlich hatte George einen trockenen Mund. Er ging zur Spüle und trank einen Schluck Wasser. Er fühlte sich … komisch. Diese Gedanken. Diese Erinnerungen. Warum förderte sein Gehirn das alles gerade jetzt zutage?
    Ihm war, als hätte jemand alle Teile eines Puzzles vor ihm ausgebreitet und er konnte sie nicht zusammensetzen. Aber vielleicht war es gut, dass er sie nicht zusammensetzen konnte, denn das fertige Bild könnte, nun beängstigend sein. Es könnte …
    Aus dem Zimmer, wo Omi ihre Tage und Nächte verbrachte, drang plötzlich ein würgendes, rasselndes, gurgelndes Geräusch.
    George gab beim Einatmen ein ersticktes Pfeifen von sich. Er wollte in Omis Zimmer gehen, musste aber feststellen, dass seine Schuhe auf dem Linoleum festgenagelt waren. Sein Herz lag wie ein Morgenstern in seiner Brust. Seine Augen waren weit aufgerissen und quollen aus den Höhlen. Vorwärts, befahl sein Gehirn den Füßen, und seine Füße salutierten und sagten: Auf gar keinen Fall, Sir!
    Omi hatte noch nie so ein Geräusch von sich gegeben.
    Omi hatte noch nie so ein Geräusch von sich gegeben.
    Er ertönte wieder, ein würgender Laut, der leise war und immer schwächer wurde, zum Summen eines Insektes, bevor er erstarb. Schließlich konnte George sich bewegen. Er ging in den Flur, der Omis Zimmer von der Küche trennte. Er durchquerte ihn und warf mit klopfendem Herzen einen Blick in ihr Zimmer. Jetzt war sein Hals mit Stahlwolle verstopft es war unmöglich zu schlucken.
    Omi schlief noch, und alles war in Ordnung, das war sein erster Gedanke; es war nur ein unheimliches Geräusch gewesen, weiter nichts; vielleicht machte sie das ständig, wenn Buddy und er in der Schule waren. Nur ein Schnarchen. Omi ging es prima. Sie schlief.
    Das war sein erster Gedanke. Dann bemerkte er, dass die gelbe Hand, die auf der Decke gelegen hatte, jetzt schlaff an der Bettkante herunterhing und die langen Fingernägel fast aber nicht ganz den Boden berührten. Und ihr Mund war offen, runzelig und eingefallen wie ein Loch in einer fauligen Frucht.
    Zögernd, schüchtern, ging George auf sie zu.
    Er stand lange neben ihr und sah auf sie hinab, wagte aber nicht, sie zu berühren. Es schien, als hätte das kaum wahrnehmbare Heben und Senken der Bettdecke aufgehört.
    Es schien.
    Das waren die Schlüsselworte. Es schien.
    Du siehst ganz einfach Gespenster, Georgie. Du bist Señor El-Stupido, wie Buddy sagt – es ist Einbildung. Dein Gehirn spielt deinen Augen einen Streich, sie atmet prima, sie …
    »Omi?«, sagte er, aber es kam nur ein Flüstern heraus. Er räusperte sich und erschrak so über das Geräusch, dass er einen Satz rückwärts machte. Aber seine Stimme wurde etwas lauter. »Omi? Willst du jetzt deinen Tee? Omi?«
    Nichts.
    Die Augen waren geschlossen.
    Der Mund war geöffnet.
    Die Hand hing herab.
    Draußen schien die untergehende Sonne rotgolden durch die Bäume.
    Da sah er sie in voller Pracht; sah sie mit dem kindlichen und brillant ungeübten Auge unausgeprägter, unreifer Reflektion, nicht hier, nicht jetzt, nicht im Bett, sondern in dem weißen Vinylsessel, wo sie die Arme ausstreckte und ihr Gesichtsausdruck dümmlich und triumphierend zugleich war. Ihm fiel einer der »schlimmen Anfälle« ein, als Omi geschrien hatte wie eine Fremdsprache – Gyaagin! Gyaagin! Hastur degryon Yos-soth-oth! – und Mama Buddy und ihn hinausgeschickt und Buddy angebrüllt hatte »GEH!«, als er im Flur nach seinen Handschuhen suchen wollte, auch Buddy hatte mit vor Angst weit aufgerissenen Augen über die Schulter gesehen, weil Mama nie laut wurde, und sie waren beide hinausgegangen und hatten schweigend in der Einfahrt gestanden, die Hände in die Taschen gesteckt, und um sie zu wärmen, und sich gefragt, was eigentlich los war.
    Später hatte Mama sie zum Abendessen gerufen, als wäre nichts geschehen.
    (du weißt am besten wie man mit ihr umgehen muss Ruth du weißt wie man sie zum Schweigen bringt)
    George hatte bis heute nie wieder an diesen speziellen »schlimmen Anfall« gedacht. Erst jetzt, während er Omi betrachtete, die so sonderbar in ihrem Krankenhausbett schlief, fiel ihm mit aufdämmerndem Entsetzen ein, dass sie am Tag erfahren hatten, dass

Weitere Kostenlose Bücher