Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blut - Skeleton Crew

Blut - Skeleton Crew

Titel: Blut - Skeleton Crew Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
verdunkelte sich der Nebel, und irgendein albtraumhaftes drachenartiges Wesen flog über uns hinweg, ohne dass wir es aber genau erkennen konnten.
    Ich versuche mir einzureden – damals wie jetzt –, dass sie, wenn sie sehr schnell gewesen war, wenn sie ins Haus gerannt war und sämtliche Eingänge fest verschlossen hatte, dass sie dann genug Nahrungsmittel für zehn Tage oder zwei Wochen hatte. Es funktionierte nicht so richtig, denn immer wieder drängte sich mir das Bild auf, wie ich sie zuletzt gesehen habe, mit ihrem alten Sonnenhut auf dem Kopf und in ihren Gartenhandschuhen, unterwegs zu unserem kleinen Gemüsegarten, während hinter ihr der Nebel unerbittlich über den See aufzog.
    Es ist Billy, an den ich jetzt denken muss. Billy, sage ich mir immer wieder vor. Big Bill, Big Bill … ich sollte es hundertmal auf dieses Blatt Papier schreiben, wie ein Kind, das dazu verurteilt worden ist, hundertmal Ich darf in der Schule keine Krampen schießen zu schreiben, während sonnige Dreiuhrstille zu den Fenstern hereindringt und die Lehrerin Hausaufgaben an ihrem Pult korrigiert und nur ihr Füller zu hören ist, während irgendwo in weiter Ferne Jungs sich auf ein Baseballspiel vorbereiten.
    Jedenfalls tat ich schließlich das Einzige, was mir zu tun übrig blieb. Ich steuerte den Wagen vorsichtig auf die Kansas Road zurück. Dann weinte ich.
    Amanda berührte schüchtern meine Schulter. »David, es tut mir so leid«, sagte sie.
    »Ja«, murmelte ich und versuchte erfolglos, meine Tränen zurückzuhalten. »Ja, mir auch.«
     
    Ich fuhr zur Route 302 und wandte mich nach links, in Richtung Portland. Auch diese Straße war teilweise aufgerissen und voller Löcher, aber insgesamt war sie doch in besserem Zustand als die Kansas Road. Ich machte mir Sorgen wegen der Brücken. In Maine gibt es zahlreiche Flüsse, und auf Schritt und Tritt stößt man auf große und kleine Brücken. Aber der Naples-Damm war unbeschädigt, und von dort bis Portland kamen wir zwar langsam aber stetig voran.
    Der Nebel blieb weiterhin dick. Einmal musste ich anhalten, weil ich dachte, dass Bäume die Straße versperrten. Dann begannen diese Bäume sich wellenförmig zu bewegen, und ich begriff, dass es Tentakel waren. Ich blieb stehen, und etwas später zogen sie sich zurück. Einmal landete ein großes Wesen mit einem schillernden grünen Körper und langen durchsichtigen Flügeln auf der Motorhaube. Es sah aus wie eine riesige unförmige Libelle. Es blieb einen Augenblick auf dem Auto sitzen, dann breitete es seine Schwingen aus und verschwand im Nebel.
    Billy wachte auf, nachdem wir etwa zwei Stunden unterwegs waren, und fragte, ob wir Mami schon abgeholt hätten. Ich erklärte ihm, ich hätte wegen der umgestürzten Bäume nicht bis ans Haus heranfahren können.
    »Geht es ihr gut, Dad?«
    »Billy, ich weiß es nicht. Aber wir werden zurückkommen und uns vergewissern.«
    Er weinte nicht. Stattdessen döste er wieder ein. Mir wären Tränen lieber gewesen. Es gefiel mir gar nicht, dass er so ungewöhnlich viel schlief.
    Ich bekam nervöse Kopfschmerzen. Teilweise kam es davon, dass ich ständig mit einer Geschwindigkeit von fünf oder zehn Meilen pro Stunde durch den Nebel fahren musste, teilweise von der Nervenanspannung, dass jeden Moment etwas aus dem Nebel auftauchen konnte  – ein Meerungeheuer, ein Luftwesen oder Ghidra, das dreiköpfige Monster. Ich glaube, ich betete. Ich bat Gott, dass Stephanie doch am Leben sein möge, dass Er sie nicht für meinen Ehebruch bestrafen solle. Ich bat Gott, Er möge mich Billy in Sicherheit bringen lassen, weil der Kleine ohnehin schon so viel mitgemacht hatte.
    Die meisten Leute hatten am Straßenrand angehalten, als der Nebel aufgezogen war, und gegen Mittag erreichten wir North Windham. Ich versuchte, auf der River Road weiterzufahren, aber nach etwa vier Meilen musste ich feststellen, dass eine Brücke eingestürzt war, die einen kleinen, laut plätschernden Bach überspannt hatte. Ich legte fast eine Meile im Rückwärtsgang zurück, bis ich eine Stelle fand, die breit genug zum Wenden war. Es blieb uns nichts anderes übrig, als auf der Route 302 bis Portland weiterzufahren.
    Dort bog ich auf die Autobahn ab. Die einstmals ordentliche Reihe von Maut-Glaskabinen gleich hinter der Auffahrt hatten sich in blinde Skelette aus zerschmettertem Pola-Glas verwandelt. Alle Kabinen waren leer. Auf einer Schwelle lag ein zerrissenes Jackett mit den Abzeichen der »Maine Turnpike Authority« an

Weitere Kostenlose Bücher