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Blut - Skeleton Crew

Blut - Skeleton Crew

Titel: Blut - Skeleton Crew Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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noch mehr sein. Aber es hätte keinen Sinn gehabt, Amanda darauf hinzuweisen. Wir mussten weiterfahren. Ich steuerte den Wagen im Zickzackkurs vorsichtig an den fürchterlichen Fußspuren vorbei, bis sie von der Straße abbogen.
     
    Das also ist passiert. Das heißt, fast alles – zu einem allerletzten Punkt komme ich gleich noch. Aber Sie dürfen keinen ordentlichen Schluss erwarten. Es gibt kein »Und sie entkamen dem Nebel in den strahlenden Sonnenschein eines neuen Tages« oder »Als sie erwachten, war endlich die Nationalgarde eingetroffen«, nicht einmal das beliebte alte Hilfsmittel: »Es war alles nur ein Traum gewesen.«
    Es ist vermutlich das, was mein Vater missbilligend als Hitchcock-Ende bezeichnete, worunter er einen doppeldeutigen Schluss verstand, der es dem Leser oder Zuschauer erlaubte, eigene Erwägungen über den Ausgang anzustellen. Mein Vater hatte für solche Geschichten nur Verachtung übrig und bezeichnete sie als »billige Tricks«.
    Wir erreichten dieses Howard Johnson in der Nähe von Ausfahrt 3 bei Einbruch der Dämmerung, gerade als das Fahren zu einem selbstmörderischen Risiko zu werden begann. Kurz zuvor hatten wir auf der Brücke über den Saco River wahnsinniges Glück gehabt. Sie hatte sehr stark beschädigt ausgesehen, aber wir hatten im Nebel nicht erkennen können, ob sie noch ganz war oder nicht. Dieses Spiel haben wir gewonnen.
    Aber wir müssen an morgen denken, oder nicht?
    Während ich diese Zeilen schreibe, ist es Viertel vor ein Uhr nachts, 23. Juli. Der Sturm, der anscheinend die ganze Katastrophe ausgelöst hat, liegt nur vier Tage zurück. Billy schläft in der Halle auf einer Matratze, die ich für ihn herausgeschleppt habe. Amanda und Mrs. Reppler sind ganz in seiner Nähe. Ich schreibe im Licht einer großen Taschenlampe, und draußen prallen die rosa Insekten unaufhörlich gegen die Fensterscheibe. Ab und zu erzittert sie stärker, wenn einer der Vögel sich seine Beute holt.
    Der Scout hat noch genügend Benzin für etwa neunzig Meilen. Die Alternative bestünde darin, hier zu tanken; draußen sind Zapfsäulen, und trotz des Stromausfalls könnte ich vermutlich doch etwas Benzin tanken. Aber …
    Aber dazu müsste ich mich im Freien aufhalten.
    Wenn wir – hier oder anderswo – Benzin bekommen, werden wir immer weiterfahren. Ich habe jetzt ein Ziel vor Augen, müssen Sie wissen. Das ist der letzte Punkt, von dem ich Ihnen berichten wollte.
    Ich bin mir nicht sicher. Verdammt, das ist das Problem. Vielleicht hat meine Fantasie mir einen Streich gespielt, vielleicht war es nichts als Wunschdenken. Und selbst wenn nicht – es ist ein so weiter Weg. Wie viele Meilen? Wie viele Brücken? Wie viele Ungeheuer, die liebend gern meinen Sohn in Stücke reißen und fressen würden, ungeachtet all seiner Entsetzens- und Schmerzensschreie.
    Die Wahrscheinlichkeit ist so groß, dass es überhaupt nur ein Wunschtraum war, dass ich den anderen nichts davon erzählt habe … zumindest bis jetzt noch nicht.
    In der Wohnung des Geschäftsführers fand ich ein großes batteriebetriebenes Radiogerät. Eine flache Antenne führte von seiner Rückseite zum Fenster hinaus. Ich schaltete es ein und drehte am Einstellknopf. Ich probierte alle Kanäle durch und hörte immer nur Störgeräusche oder aber überhaupt nichts.
    Und dann, ganz am Ende des Mittelwellenbandes, als ich das Gerät gerade wieder abstellen wollte, glaubte ich – oder träumte ich – ein einziges Wort zu hören.
    Mehr nicht. Ich lauschte eine volle Stunde. Es kam nichts mehr. Wenn ich dieses eine Wort tatsächlich gehört haben sollte, muss es durch einen winzigen Riss in diesem geräuschdämpfenden Nebel gedrungen sein, durch einen minimalen Spalt, der sich sofort wieder geschlossen hat.
    Ein Wort.
    Ich muss etwas schlafen … Wenn ich überhaupt schlafen kann und nicht bis zum Tagesanbruch von all den Gesichtern verfolgt werde – Ollie Weeks und Mrs. Carmody und Norm, und von Stephanies Gesicht, überschattet von der breiten Krempe ihres Sonnenhuts.
    Es gibt hier ein Restaurant, ein typisches Howard-Johnson-Restaurant mit einem Speisesaal und einer langen hufeisenförmigen Imbisstheke. Ich werde diese Blätter auf die Theke legen, und vielleicht wird jemand sie eines Tages finden und lesen.
    Ein Wort.
    Wenn ich es nur tatsächlich gehört habe. Wenn.
    Ich gehe jetzt schlafen. Aber vorher werde ich meinem Sohn einen Kuss geben und ihm zwei Worte ins Ohr flüstern. Gegen die Träume, die ihn

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