Blut - Skeleton Crew
war, hatte Hal den Affen vollkommen vergessen. Irgendwie landete er auf Bills Regal, wo er gleich neben Bills Autogramm von Bill Boyd stand. Und dort blieb er fast zwei Jahre lang.
Als Hal sieben war, waren Babysitter unerschwinglich geworden und Mrs. Shelburns Abschiedsgruß lautete jeden Morgen: »Bill, pass auf deinen Bruder auf.«
An jenem Tag musste Bill jedoch länger in der Schule bleiben, und Hal ging allein nach Hause, blieb an jeder Ecke stehen, bis in beiden Richtungen absolut kein Auto mehr zu sehen war, dann wuselte er geduckt hinüber wie ein Stoppelhopser, der Niemandsland durchquert. Er öffnete die Tür mit dem Schlüssel unter der Fußmatte und ging sofort zum Kühlschrank, um sich ein Glas Milch zu holen. Er nahm die Flasche, dann rutschte sie ihm aus der Hand und zerschellte auf dem Boden, sodass Glasscherben nach allen Seiten flogen.
Tsching-tsching-tsching-tsching, von oben, aus ihrem Schlafzimmer. Tsching-tsching-tsching, hallo, Hal! Willkommen daheim! Und übrigens, Hal, bist du es? Bist du es diesmal? Werden sie dich tot am Tatort finden?
Er stand da, regungslos, starrte auf die zerbrochene Flasche und die Milchpfütze, erfüllt von einem Entsetzen, das er weder erklären noch verstehen konnte. Es war einfach da, sickerte ihm gleichsam aus allen Poren.
Er drehte sich um und rannte die Treppe hinauf, in ihr Schlafzimmer. Der Affe stand auf Bills Regal und schien ihn anzustarren. Er hatte das Autogrammfoto von Bill Boyd heruntergestoßen – es lag verkehrt herum auf Bills Bett. Der Affe hüpfte und grinste und schlug seine Zimbeln. Hal näherte sich langsam, gegen seinen Willen, aber außerstande wegzubleiben. Die Zimbeln klappten auseinander und schlugen zusammen und klappten wieder auseinander. Als Hal näher kam, konnte er das Gangwerk im Inneren des Affen deutlich hören.
Er stieß unvermittelt einen Schrei der Abscheu und Angst aus und schlug ihn vom Regal wie ein Insekt. Er landete auf Bills Kissen und fiel auf den Boden, schlug die Zimbeln zusammen, tsching-tsching-tsching, und fletschte die Zähne, während er in einem Flecken Aprilsonnenschein auf dem Rücken lag.
Hal versetzte ihm einen Fußtritt, kickte so fest er konnte und dieses Mal stieß er einen Wutschrei aus. Der Aufziehaffe schlitterte über den Boden, prallte gegen die Wand und blieb bewegungslos liegen. Hal starrte ihn mit geballten Fäusten und klopfendem Herzen an. Der Affe grinste frech zurück, und die Sonne spiegelte sich stecknadelkopfgroß in einem Glasauge. Tritt mich, so viel du willst, schien er zu sagen, ich bestehe nur aus Zahnrädern und einem Uhrwerk und ein, zwei Schneckengetrieben, tritt mich, so viel du willst, ich bin nicht real, ich bin nur ein drolliger Aufziehaffe, und wer ist tot? In der Hubschrauberfabrik hat es eine Explosion gegeben! Was fliegt dann da gen Himmel wie eine große blutige Bowlingkugel mit Augen anstelle der Fingerlöcher? Ist es der Kopf deiner Mutter, Hal? Juchhe! Was für einen tollen Flug der Kopf deiner Mutter macht! Oder dort, Ecke Brook Street! Schau her, Kumpel! Das Auto ist zu schnell gefahren! Der Fahrer war betrunken! Und jetzt gibt es einen Bill weniger auf der Welt! Hast du das Knirschen hören können, als die Reifen über seinen Kopf gerollt sind und sein Gehirn zu den Ohren rausgequetscht haben? Ja? Nein? Vielleicht? Frag mich nicht, ich weiß nichts, ich kann nichts wissen, ich weiß nur eines: wie man diese Zimbeln zusammenschlägt, tsching-tsching-tsching, und wer ist tot am Tatort, Hal? Deine Mutter? Dein Bruder? Oder bist du es, Hal! Bist du es?
Hal rannte hin und wollte ihn zertreten, zerstampfen, darauf herumtrampeln, bis die Zahnräder und Schneckengetriebe herausflogen und die schrecklichen Glasaugen über den Boden rollten. Aber als er ihn erreichte, musste eine Feder im Innern sich ein letztes Mal gedreht haben, denn die Zimbeln schlugen noch einmal gegeneinander, sehr leise … (tsching) … und ein Eiszapfen schien sich flüsternd durch Hals Herz zu bohren, seine Wut zu stillen und ihn krank vor Angst zu machen. Der Affe schien es fast zu wissen … wie fröhlich sein Grinsen schien!
Hal packte einen seiner Arme mit Daumen und Zeigefinger der rechten Hand und hob ihn auf, die Mundwinkel vor Ekel nach unten verzogen, als transportiere er einen Kadaver. Das abgewetzte Fell war heiß und fiebrig an seiner Haut. Er fummelte an der kleinen Tür, die zur Rumpelkammer führte und schaltete das Licht ein. Der Affe grinste ihn an, während er
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