Blut - Skeleton Crew
dachte an den Affen, der in seinem Samsonite eingeschlossen war. Würde er hören, wenn der Affe seine Zimbeln gegeneinander schlug? Ja, ganz bestimmt. Gedämpft, aber hörbar. Wenn er scheppernd für jemand das Ende ankündigte, wie für Beulah, Johnny McCabe, Onkel Wills Hund Daisy. Tschingtsching-tsching, bist du das, Hal? »Ich bin einfach gestresst.«
»Ich hoffe, das ist alles. So gefällst du mir nämlich nicht.«
»Nicht?« Die Worte entschlüpften ihm, bevor er sie sich verbeißen konnte; er wollte sie sich auch nicht verbeißen. »Dann schluck eine Valium, und alles ist wieder gut.«
Er hörte, wie sie Luft holte und zitternd wieder ausstieß. Dann begann sie zu weinen. Er hätte sie trösten können (vielleicht), aber er schien keinen Trost zu haben. Dafür hatte er in sich zu viel Angst. Es würde besser werden, wenn der Affe wieder fort war, für immer fort. Bitte, lieber Gott, für immer fort.
Er lag sehr lange wach, bis die Morgendämmerung den Himmel grau färbte. Aber dann glaubte er zu wissen, was er tun musste.
Bill hatte den Affen zum zweiten Mal gefunden.
Das war etwa eineinhalb Jahre nachdem Beulah McCaffery am Tatort für tot erklärt worden war. Es war Sommer. Hal kam gerade vom Kindergarten heim.
Er kam vom Spielen und seine Mutter rief: »Wasch dir die Hände, Seãnor, du bist schmutzig wie ein Ferkel.« Sie saß auf der Veranda, trank Eistee und las ein Buch. Sie hatte gerade zwei Wochen Urlaub.
Hal hielt seine Hände flüchtig unter kaltes Wasser und wischte den Schmutz ins Handtuch. »Wo ist Bill?«
»Oben. Sag ihm, er soll seine Zimmerhälfte aufräumen. Sie ist ein einziger Saustall.«
Hal, der liebend gern unangenehme Botschaften dieser Art übermittelte, rannte hinauf. Bill saß auf dem Fußboden. Die kleine Kaninchenloch-Tür zur Rumpelkammer war halb geöffnet. Er hielt den Affen in den Händen.
»Der ist kaputt!«, sagte Hal sofort.
Er war beunruhigt, obwohl er sich kaum erinnern konnte, wie er in dieser Nacht vom Bad zurückgekommen war und der Affe plötzlich angefangen hatte, seine Zimbeln zu schlagen. Etwa eine Woche danach hatte er einen Albtraum über den Affen und Beulah – er erinnerte sich nicht mehr genau daran –, er war schreiend erwacht und hatte einen Augenblick gedacht, die sanfte Last auf seiner Brust wäre der Affe, dass er die Augen aufschlagen und sehen würde, wie dieser auf ihn herabgrinste. Aber natürlich war die sanfte Last nur sein Kissen gewesen, das er panisch umklammerte. Seine Mutter kam herein, um ihn mit einem Schluck Wasser und zwei blassorangefarbenen Babyaspirin zu beruhigen, diesem Valium ängstlicher Kindertage. Sie hatte geglaubt, dass Beulahs Tod den Albtraum verursacht hatte. So war es, aber nicht so wie sie dachte.
Er erinnerte sich heute kaum noch daran, aber trotzdem ängstigte ihn der Affe, besonders dessen Zimbeln. Und die Zähne.
»Das weiß ich«, sagte Bill und warf den Affen beiseite. »Er ist blöd.« Er landete auf Bills Bett, starrte an die Decke, die Zimbeln erhoben. Hal gefiel es nicht, ihn dort liegen zu sehen. »Möchtest du zu Teddy’s gehen und Bonbons kaufen?«
»Ich hab mein Taschengeld schon ausgegeben«, sagte Hal. »Außerdem hat Mama gesagt, dass du deine Zimmerhälfte aufräumen sollst.«
»Das kann ich später noch machen«, meinte Bill. »Ich kann dir fünf Cents pumpen, wenn du willst.« Bill war sich nicht zu schade, Hal manchmal eine Abreibung zu verpassen, ihm gelegentlich ein Bein zu stellen oder ihm ohne ersichtlichen Grund eine zu kleben, aber meistens war er in Ordnung.
»Klar«, sagte Hal dankbar. »Ich bring nur schnell diesen kaputten Affen in die Rumpelkammer zurück, okay?«
»Nee«, sagte Bill und stand auf. »Los, los, los, wir gehen.«
Hal ging mit. Bill war launisch, und wenn er zurückblieb, um den Affen wegzubringen, würde er vielleicht keine Bonbons bekommen. Sie gingen zu Teddy’s und kauften ihre Bonbons, und zwar nicht irgendwelche, sondern die seltenen mit Blaubeergeschmack. Dann gingen sie zum Spielplatz, wo ein paar Jungs ein Baseballspiel vorbereiteten. Hal war zu klein zum Mitspielen, aber er saß weit draußen im Strafraum, lutschte seine Blaubeerbonbns und lief den Bällen hinterher, die ins Aus gingen. Sie kamen erst nach Hause, als es schon fast dunkel war, und ihre Mutter verprügelte Hal, weil er das Handtuch beschmutzt hatte, und Bill, weil er seine Zimmerhälfte nicht aufgeräumt hatte, nach dem Abendessen sahen sie fern, und bis das alles passiert
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