Blut - Skeleton Crew
nicht, kniff sie ihn manchmal. Trotzdem hatte Hal Beulah recht gern, denn ab und zu las sie ihm eine grausige Geschichte aus einer ihrer Meine-Beichte- Zeitschriften oder Wahre Kriminalfälle vor (»Der Tod holte drallen Rotschopf«, deklamierte Beulah geheimnisvoll in der einschläfernden Tagesstille des Wohnzimmers und schob sich einen neuen Reese’s Erdnussflip in den Mund, während Hal ernst die körnigen Illustriertenbilder betrachtete und dabei Milch aus seiner Kindertasse trank.) Dass er sie gern gehabt hatte, machte noch schlimmer, was geschah.
Er fand den Affen an einem kalten, wolkenverhangenen Tag im März. Graupelregen trommelte leise gegen die Fenster, und Beulah schlief auf der Couch, ein aufgeschlagenes Exemplar von Meine Geschichte auf dem herrlich üppigen Busen.
Hal kroch in die Rumpelkammer, um sich die Sachen seines Vaters anzusehen.
Die Rumpelkammer zog sich über die ganze linke Längsseite im ersten Stock, zusätzliche Wohnfläche, die nie ausgebaut worden war. Man konnte nur durch eine kleine Tür, eine Art Kaninchenloch-Tür, auf Bills Seite des Jungenschlafzimmers hineingelangen. Sie hielten sich beide gern dort auf, obwohl es in der Rumpelkammer im Winter eiskalt und im Sommer so heiß war, dass einem der Schweiß eimerweise aus den Poren quoll. Sie war lang und schmal und irgendwie gemütlich, und sie enthielt eine Unmenge faszinierender Dinge. Soviel man sich dort auch umschauen mochte, man schien sie nicht erschöpfen zu können. Er und Bill hatten ganze Samstagnachmittage hier oben verbracht; ohne viel miteinander zu reden, hatten sie alle möglichen Sachen aus den Kartons geholt, von allen Seiten betrachtet und betastet, bis jede Einzelheit ihnen wohlvertraut war, und dann wieder zurückgelegt. Jetzt fragte sich Hal, ob er und Bill nicht so gut sie konnten versucht hatten, mit ihrem verschwundenen Vater Verbindung aufzunehmen.
Er war mit Steuermannspatent bei der Handelsmarine gewesen, und in der Rumpelkammer lagen stapelweise Karten, manche mit ordentlichen Kreisen markiert (und in der Mitte von jedem der Einstich der Zirkelnadel). Darüber hinaus zwanzig Bände von etwas, was Barrons’s Guide to Navigation hieß. Ein schiefes Fernglas, durch das man nicht lange sehen konnte, weil die Augen sich sonst heiß und komisch anfühlten. Souvenirs aus einem Dutzend Häfen – Hulahula-Puppen aus Gummi, eine schwarze Pappmelone mit zerrissenem Hutband, auf dem stand YOU PICK A GIRL AND I’LL PICCADILLY stand, eine Glaskugel mit einem winzigen Eiffelturm darin. Da waren Umschläge mit sorgfältig verstauten Briefmarken und Münzen; Steinproben von der Hawaii-Insel Maui, glasig-schwarz, schwer und geheimnisvoll; und komische Schallplatten in fremden Sprachen.
An jenem Tag hatte sich Hal, während der Graupelregen einschläfernd auf das Dach direkt über seinem Kopf trommelte, bis zum Ende der Rumpelkammer vorgearbeitet, schob einen Karton beiseite und entdeckte dahinter einen weiteren Karton – einen Ralston-Purina-Karton. Über den Rand blickten ein Paar glasige haselnussbraune Augen. Sie erschreckten ihn und er zuckte mit klopfendem Herzen zurück, als hätte er einen tödlichen Pygmäen entdeckt. Dann sah er die Reglosigkeit, die glasigen Augen und ihm ging auf, dass es ein Spielzeug ein musste. Er beugte sich wieder vor und hob es vorsichtig aus dem Karton.
Er grinste im gelben Licht sein zeitloses zähnefletschendes Grinsen und hielt die Zimbeln auseinander.
Entzückt hatte Hal ihn herumgedreht, und das Kribbeln des fadenscheinigen Fells gespürt. Das komische Grinsen des Affen gefiel ihm. Aber war da nicht noch etwas anderes gewesen? Ein fast instinktives Gefühl des Ekels, das gekommen und gegangen war, bevor er es richtig bemerkt hatte? Vielleicht war es so gewesen, aber bei uralten Erinnerungen wie dieser musste man vorsichtig sein und durfte nicht zu viel glauben. Alte Erinnerungen konnten lügen. Aber … hatte er nicht auf dem Dachboden des alten Hauses denselben Ausdruck in Peteys Gesicht gesehen?
Er hatte den Schlüssel auf dem Rücken entdeckt und ihn gedreht. Er ließ sich zu leicht drehen; kein Klicken beim Aufziehen. Also kaputt. Kaputt, aber immer noch hübsch.
Hal nahm ihn zum Spielen mit.
»Washassnda, Hal?«, fragte Beulah, die aus ihrem Nickerchen erwachte.
»Nichts«, sagte Hal. »Ich hab’s gefunden.«
Er stellte den Affen auf das Regal in seiner Zimmerhälfte. Da stand er nun auf den Lassie-Malbüchern, grinste, sah ins Leere und hielt die Zimbeln
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