Blut - Skeleton Crew
und warum Dennis ein dunkles undurchsichtiges Fenster zu sein schien, ein Geheimnis mit seiner Art und seinen Gewohnheiten, ein Junge, den er nicht verstehen konnte, weil er selbst nie so ein Junge gewesen war. Es war einfach zu sagen, dass der Umzug von Kalifornien nach Texas Dennis verändert hatte oder dass …
Seine Gedanken erstarrten. Der Affe! Der Affe saß mit erhobenen Zimbeln auf der Fensterbank. Einen Augenblick stockte Hals Herzschlag, dann begann er rasend zu pochen. Sein Blick verschwamm, und sein pochender Kopf tat höllisch weh.
Der Affe war aus dem Koffer entwischt, stand jetzt auf der Fensterbank und grinste ihn an. Hast gedacht, du bist mich losgeworden, was? Aber das hast du schon mal gedacht, oder nicht?
Ja, dachte er kläglich. Das habe ich.
»Petey, hast du den Affen aus meinem Koffer geholt?«, fragte er, obwohl er die Antwort schon wusste. Er hatte den Koffer abgeschlossen und den Schlüssel in die Manteltasche gesteckt.
Petey sah zu dem Affen, und etwas – Hal dachte es war Unbehagen – huschte über sein Gesicht. »Nein«, sagte er. »Mama hat ihn dort hingesetzt.«
»Mama?«
»Ja. Sie hat ihn dir weggenommen. Sie hat gelacht.«
»Mir weggenommen? Wovon redest du?«
»Du hattest ihn bei dir im Bett. Ich habe mir die Zähne geputzt, aber Dennis hat es gesehen. Er hat auch gelacht. Er hat gesagt, du hast ausgesehen wie ein Baby mit einem Teddybär.«
Hal sah den Affen an. Sein Mund war so trocken, dass er nicht schlucken konnte. Er hatte ihn bei sich im Bett gehabt? Im Bett? Dieses ekelhafte Fell an seiner Wange, vielleicht an seinem Mund? Diese bösartigen Glasaugen hatten aus nächster Nähe auf sein schlafendes Gesicht gestarrt? Diese grinsen den Zähne waren dicht an seinem Hals gewesen? Auf seinem Nacken? Mein Gott!
Er drehte sich abrupt um und ging zum Wandschrank. Der Samsonite war dort, noch abgeschlossen. Der Schlüssel befand sich noch in seiner Manteltasche.
Hinter ihm wurde der Fernseher ausgeschaltet. Er kam langsam aus dem Schrank. Petey sah ihn ernst an. »Daddy, ich mag diesen Affen nicht«, sagte er so leise, dass Hal ihn kaum verstehen konnte.
»Ich auch nicht«, sagte Hal.
Petey warf ihm einen scharfen Blick zu, um zu sehen, ob er nur scherzte. Und sah, dass das nicht so war. Er lief zu seinem Vater und schmiegte sich fest an ihn. Hal spürte, dass der Junge zitterte.
Petey flüsterte ihm ins Ohr, sehr schnell, als befürchte er, den Mut zu verlieren … oder der Affe könnte ihn hören.
»Es ist, als würde er einen ansehen. Als würde er einen ansehen, wo man auch im Zimmer ist. Und wenn man ins andere Zimmer geht, scheint er einen durch die Wand hindurch anzusehen. Ich habe ständig das Gefühl, als … als wollte er etwas von mir.«
Petey erschauerte. Hal hielt ihn eng an sich gedrückt.
»Als wollte er, dass du ihn aufziehst«, sagte Hal.
Petey nickte heftig. »Er ist gar nicht richtig kaputt, oder, Dad?«
»Manchmal schon«, sagte Hal und betrachtete den Affen über die Schulter seines Sohnes hinweg. »Aber manchmal funktioniert er noch.«
»Ich wollte ständig hingehen und ihn aufziehen. Es war so still, und ich dachte, ich kann nicht, ich wecke Daddy, aber ich wollte es trotzdem, und ich bin hingegangen und ich … ich habe ihn berührt und mag nicht, wie er sich anfühlt … aber es hat mir auch gefallen … und es war, als würde er sagen: Zieh mich auf, Petey, wir spielen, dein Vater wird nicht aufwachen, er wird nie mehr aufwachen, zieh mich auf, zieh mich auf …«
Der Junge brach plötzlich in Tränen aus.
»Er ist böse, ich weiß es. Irgendwas stimmt nicht mit ihm. Können wir ihn nicht wegwerfen, Daddy? Bitte!«
Der Affe grinste Hal mit seinem ewigen Grinsen an. Hal konnte Peteys Tränen spüren. Seine Messingzimbeln funkelten in der Morgensonne – das Licht wurde nach oben reflektiert und zauberte Sonnenstreifen auf die glatte weiße Stuckdecke des Motels.
»Um wie viel Uhr wollte deine Mutter mit Dennis wieder hier sein, Petey?«
»Gegen eins.« Er wischte sich mit dem Hemdsärmel die roten Augen und schien sich seiner Tränen zu schämen. Aber er vermied es, den Affen anzuschauen. »Ich hab den Fernseher eingeschaltet«, flüsterte er. »Und ganz laut gestellt.«
»Das hast du gut gemacht, Petey.«
Wie wäre es wohl passiert?, dachte Hal. Herzschlag? Embolie, wie bei meiner Mutter? Was? Aber eigentlich spielt das keine Rolle, oder?
Und dem auf den Fersen ein anderer, kälterer Gedanke: Wirf ihn weg, sagt er.
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