Blut - Skeleton Crew
und zog den Reißverschluss der Tasche zu. »Ich erzähle es dir während wir zum Haus fahren.«
»Womit sollen wir fahren? Mama und Dennis haben das Auto.«
»Mach dir keine Sorgen«, sagte Hal und zauste Peteys Haar.
Er zeigte dem Portier seinen Führerschein und eine Zwanzigdollarnote. Nachdem er Hals Texas Instruments Digitaluhr als Pfand genommen hatte, gab er ihm die Schlüssel für sein eigenes Auto – ein verbeulter AMC Gremlin. Als sie auf der Route 302 nach Osten, in Richtung Casco, fuhren, begann Hal zu sprechen, erst stockend, dann etwas schneller. Er erzählte Petey, dass sein Vater den Affen wahrscheinlich von Übersee mitgebracht hatte, ein Geschenk für seine Söhne. Es war kein besonders ausgefallenes Spielzeug – es war nichts Merkwürdiges oder Wertvolles daran. Es musste Hunderttausende dieser Aufziehaffen auf der Welt geben, einige in Hongkong, einige in Taiwan, einige in Korea hergestellt. Aber irgendwo unterwegs – vielleicht sogar in der dunklen Rumpelkammer des Hauses in Connecticut, wo die beiden Jungs ihre frühe Kindheit begannen – war etwas mit dem Affen geschehen. Etwas Schlimmes. Es könnte sein, sagte Hal, während er versuchte, den Gremlin des Portiers auf eine höhere Geschwindigkeit zu bringen als 40 Meilen pro Stunde, dass manches Böse – vielleicht sogar das meiste Böse – nicht einmal wach war und wusste, was es war. Er beließ es dabei, denn das war wahrscheinlich das Äußerste, das Petey verstehen konnte, aber er führte für sich diesen Gedankengang fort. Er dachte, dass das meiste Böse durchaus große Ähnlichkeit mit einem mechanischen Affen, den man aufzieht, haben konnte; der Mechanismus dreht sich, die Zimbeln beginnen zu schlagen, die Zähne grinsen, die dummen Glasaugen lachen … oder scheinen zu lachen …
Er erzählte Petey, wie er den Affen gefunden hatte, aber nicht mehr – er wollte den ängstlichen Jungen nicht noch mehr erschrecken, als er schon war. So wurde die Geschichte zusammenhanglos, unklar, aber Petey stellte keine Fragen; vielleicht konnte er die Lücken selbst schließen, dachte Hal, so wie er den Tod seiner Mutter immer und immer wieder geträumt hatte, obwohl er nicht dabei gewesen war.
Onkel Will und Tante Ida waren beide zur Beerdigung gekommen. Danach fuhr Onkel Will zurück nach Maine – es war Erntezeit –, und Tante Ida war zwei Wochen bei den Jungs geblieben und hatte die Angelegenheiten ihrer Schwester geordnet, bevor sie die beiden nach Maine mitnahm. Aber mehr noch, sie nutzte die Zeit, sich mit ihnen vertraut zu machen – sie waren vom plötzlichen Tod ihrer Mutter so aus der Fassung gebracht, dass sie fast komatös waren. Wenn sie nicht schlafen konnten, war sie da mit warmer Milch; wenn Hal um drei Uhr morgens aus Albträumen hochschreckte (Albträume, in denen sich seine Mutter dem Wasserkühler näherte, ohne den Affen zu sehen, der in der kalten saphirblauen Tiefe schwebte und wogte, grinste und die Zimbeln schlug, sodass jeder Schlag Luftbläschen erzeugte) sie war da, als Bill drei Tage nach der Beerdigung zuerst Fieber, dann einen schmerzhaften Ausschlag im Mund und dann die Windpocken bekam; sie war da. Sie gewann das Vertrauen der Jungs, und bevor sie zu dritt mit dem Bus von Hartford nach Portland fuhren, waren Bill und Hal beide einzeln zu ihr gekommen und hatten sich in ihrem Schoß ausgeweint, während sie sie drückte und wiegte und eine innige Beziehung begann.
Am Tag, bevor sie Connecticut für immer verließen und »runter nach Maine« zogen (wie man damals sagte), kam der Lumpensammler mit seinem alten klapprigen Lastwagen und lud den riesigen Stapel Plunder auf, den Bill und Hal aus der Rumpelkammer auf den Gehweg getragen hatten. Als das Gerümpel zum Abholen am Bordstein aufgestapelt war, hatte Tante Ida ihnen gesagt, nochmals die Rumpelkammer zu durchstöbern und die Andenken und Erinnerungsstücke herauszupicken, die sie gern behalten wollten. Wir haben nicht genug Platz für alles, Jungs, sagte sie, und Hal vermutete, Bill hatte sie beim Wort genommen und ein letztes Mal alle faszinierenden Kartons durchsucht, die ihr Vater zurückgelassen hatte. Hal half seinem älteren Bruder nicht. Hal hatte das Interesse für die Rumpelkammer verloren. Ein schrecklicher Gedanke war ihm während dieser ersten zwei Wochen der Trauer gekommen: Vielleicht war sein Vater nicht einfach verschwunden oder weggelaufen, weil er ein Bruder Leichtfuß war und festgestellt hatte, dass die Ehe nichts für
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