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Blut - Skeleton Crew

Blut - Skeleton Crew

Titel: Blut - Skeleton Crew Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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ihn war.
    Vielleicht hatte ihn der Affe auf dem Gewissen.
    Als er den Lastwagen des Lumpensammlers hörte, der dröhnend und furzend und mit knatternden Fehlzündungen die Straße heraufkam, nahm Hal den ganzen Mut zusammen, riss den Affen vom Regal, wo er seit dem Tod seiner Mutter gestanden hatte (der hatte bis dahin nicht gewagt ihn anzurühren, nicht einmal, um ihn in die Rumpelkammer zurückzubefördern), und rannte damit nach unten. Weder Bill noch Tante Ida sahen ihn. Auf einem Fass zerbrochener Souvenirs und schimmliger Bücher thronte der Ralston-Purina-Karton, der mit ähnlichem Ramsch gefüllt war. Hal warf den Affen zurück in die Schachtel, aus der er ursprünglich aufgetaucht war, und forderte ihn hysterisch heraus, seine Zimbeln zu schlagen (mach schon, mach schon, ich fordere dich heraus, fordere dich heraus, ZWEIFACH HERAUS ), aber der Affe wartete nur, lehnte sich gleichgültig zurück, als warte er auf den Bus und grinste sein schreckliches, wissendes Grinsen.
    Hal, ein kleiner Junge in alten Cordhosen und abgetretenen Buster Browns, stand dabei, als der Lumpensammler, ein Italiener, der ein Kruzifix trug und durch seine Zahnlücke pfiff, die Kartons und Fässer in den altertümlichen Lastwagen mit Holzverschlag lud. Hal beobachtete, wie der Mann das Fass samt dem Ralston-Purina-Karton obenauf hochhob; er beobachtete, wie der Affe auf der Ladefläche des Lastwagens verschwand; er beobachtete, wie der Lumpensammler in die Fahrerkabine einstieg, die Nase kräftig in die Hand schneuzte, diese mit einem riesigen roten Taschentuch abwischte und den Motor des Lastwagens mit einem Brüllen und einer öligen blauen Abgaswolke anließ; er beobachtete, wie der Lastwagen abfuhr. Und ein großer Stein fiel ihm vom Herzen  – er spürte es regelrecht! Er machte zwei Luftsprünge, so hoch er springen konnte, die Arme ausgebreitet, Handflächen nach oben, und wenn ihn einige der Nachbarn gesehen hätten, hätten sie es merkwürdig, fast blasphemisch gefunden, vielleicht – warum macht der Junge Freudensprünge (denn genau das war es; ein Freudensprung lässt sich kaum verhehlen), und sicher hätten sie sich gefragt, wo seine Mutter noch nicht mal einen Monat unter der Erde ist?
    Er tat es, weil der Affe fort war, für immer fort.
    Hatte er gedacht.
    Keine drei Monate später hatte ihn Tante Ida auf den Dachboden geschickt, um den Christbaumschmuck zu holen, und als er suchend da oben herumkroch und sich die Knie staubig machte, war er ihm plötzlich von Angesicht zu Angesicht gegenüber gewesen, und seine Verblüffung und Angst waren so groß, dass er sich fest in die Hand beißen musste, um nicht zu schreien … oder auf der Stelle in Ohnmacht zu fallen. Da war er, grinste sein zähnefletschendes Grinsen, die Zimbeln dreißig Zentimeter auseinander und bereit zu schlagen und lehnte gleichgültig in einer Ecke des Ralston-Purina-Kartons, als ob er auf den Bus wartete und schien zu sagen: Du dachtest, du wärst mich los, nicht wahr? Aber mich wird man nicht so leicht los, Hal. Ich mag dich, Hal. Wir sind füreinander bestimmt, nur ein Junge und sein Spielzeugaffe, zwei gute alte Freunde. Und irgendwo südlich von hier liegt ein dummer alter italienischer Lumpensammler in einer Badewanne mit Löwenfüßen, seine Augäpfel quellen hervor, und das Gebiss hängt ihm halb aus dem Mund, aus dem schreienden Mund, ein Lumpensammler, der wie eine ausgebrannte Exide-Batterie riecht. Er wollte mich für seinen Enkel aufheben, Hal, er stellte mich auf das Regal im Bad, neben seine Seife und seine Rasierklinge, seinen Rasierschaum und sein Philco-Radio, mit dem er den Brooklyn Dodgers lauschte, und ich begann zu schlagen, und eine meiner Zimbeln traf dieses Radio, und es fiel in die Badewanne, und dann kam ich zu dir, Hal, nachts wanderte ich die Landstraßen entlang und das Mondlicht schien morgens um drei auf meine Zähne, und ich hinterließ viele Menschen tot am Tatort. Ich kam zu dir, Hal, ich bin dein Weihnachtsgeschenk, also zieh mich auf, wer ist tot? Ist es Bill? Ist es Onkel Will? Bist du es, Hal? Bist du es?
    Hal war mit angstverzerrtem Gesicht und rollenden Augen zurückgetaumelt und wäre fast die Treppe hinuntergefallen. Er sagte Tante Ida, er hätte den Christbaumschmuck nicht finden können – es war die erste Lüge, die er ihr erzählt hatte, und sie sah es ihm am Gesicht an, fragte aber Gott sei Dank nicht, warum er log – und als später Bill hereinkam, bat sie ihn nachzuschauen, und er brachte den

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