Blut - Skeleton Crew
versuchte, Amos Culligans alten Studebaker zu sehen; nur noch Rost und Tang, der zum offenen Fahrerfenster herauswehte, durch das Amos im allerletzten Augenblick entkommen war, Wasserpflanzen am Lenkrad wie ein verfaultes Kollier, Wasserpflanzen am Rückspiegel, das in der Strömung hin und her trieb wie ein seltsamer Rosenkranz. Aber er konnte nur Blau sehen, das in Schwarz überging, und da war Onkel Wills Wurm mit dem Haken in den Eingeweiden, der da mitten im See hing, in einem Schacht aus Sonnenlicht in seiner eigenen Version der Realität. Hal hatte eine kurze, unheimliche Vision, wie er über einem gewaltigen Abgrund hing, und er machte einen Moment die Augen zu, bis das Schwindelgefühl nachließ. An diesem Tag, schien er sich zu erinnern, hatte er seine ganze Dose Bier getrunken …
… die tiefste Stelle des Crystal Lake … dreißig Meter, und kein Zentimeter weniger.
Er hielt einen Moment keuchend inne und blickte zu Petey, der ihn immer noch ängstlich beobachtete. »Soll ich dir helfen, Daddy?«
»Gleich.«
Er war wieder zu Atem gekommen und zog das Ruderboot über den schmalen Sandstreifen zum Wasser, wobei er eine Spur hinterließ. Die Farbe war zwar abgeblättert, aber das Boot war geschützt abgestellt gewesen und sah verlässlich aus.
Wenn er mit Onkel Will rausgefahren war, hatte sein Onkel das Boot die Rampe hinuntergezogen, und wenn der Bug im Wasser war, war er hineingeklettert, hatte ein Ruder zur Hand genommen, um das Boot abstoßen zu können, und gesagt: »Stoß mich ab, Hal – damit kannst du dir dein Bruchband erwerben!«
»Stell die Tasche rein, Petey, und dann stoß mich ab«, sagte Hal. Und mit einem kleinen Lächeln fügte er hinzu: »Damit kannst du dir dein Bruchband erwerben!«
Petey lächelte nicht zurück. »Darf ich mitkommen, Daddy?«
»Diesmal nicht. Ein anderes Mal nehme ich dich zum Angeln mit raus, aber … diesmal nicht.«
Petey zögerte. Der Wind zerzauste sein braunes Haar, und ein paar knisternde trockene Blätter wirbelten an seinen Schultern vorbei, landeten im seichten Wasser und trieben wie kleine Boote dahin.
»Du hättest was dazwischenstopfen sollen«, sagte Petey leise.
»Was?« Aber er hatte verstanden, was Petey meinte.
»Du hättest Watte über die Zimbeln packen sollen. Sie festkleben. Damit der Affe nicht … dieses Geräusch machen kann.«
Hal dachte plötzlich daran, wie Daisy auf ihn zugekommen war – nicht laufend, sondern schlurfend – und wie ganz plötzlich aus ihren beiden Augen Blut hervorschoss, ihr Fell am Hals durchtränkte, und auf den Scheunenboden troff, wie ihre Vorderläufe umknickten … und in der stillen regnerischen Frühlingsluft dieses Tages hatte er das Geräusch gehört, nicht gedämpft, sondern seltsam klar, es kam vom Dachboden des Hauses, hundertfünfzig Meter entfernt: Tsching-tsching-tsching-tsching.
Er hatte hysterisch geschrien und den Armvoll Holz fallen lassen, das er zum Anheizen holen wollte. Er war in die Küche gerannt, um Onkel Will zu holen, der gerade Rühreier und Toast aß und noch nicht einmal die Hosenträger hochgezogen hatte.
Sie war eine alte Hündin, Hal, hatte Onkel Will mit abgehärmtem, unglücklichem Gesicht gesagt – er sah selbst alt aus. Sie war zwölf, und das ist für einen Hund ein hohes Alter. Du darfst es dir nicht so zu Herzen nehmen – die alte Daisy hätte das nicht gewollt.
Alt, hatte auch der Tierarzt gesagt, aber trotzdem hatte er beunruhigt ausgesehen, denn Hunde sterben nicht an plötzlicher Gehirnblutung, nicht einmal mit zwölf. (»Als hätte jemand in ihrem Kopf einen Feuerwerkskörper angezündet«, hörte Hal den Tierarzt zu Onkel Will sagen, während dieser hinter der Scheune ein Grab schaufelte, unweit der Stelle, wo er 1950 Daisys Mutter begraben hatte; »ich hab so was noch nie gesehen, Will«).
Und später war Hal auf den Dachboden gekrochen, halb wahnsinnig vor Angst, aber außerstande, diesem Drang zu widerstehen.
Hallo, Hal, wie geht es dir? Grinste der Affe aus seiner dunklen Ecke. Seine Zimbeln waren etwa dreißig Zentimeter voneinander entfernt. Das Sofakissen, das Hal dazwischengestopft hatte, lag ganz am anderen Ende des Dachbodens. Irgendetwas – irgendeine Kraft – hatte das Kissen mit solcher Wucht weggeschleudert, dass der Bezug aufgerissen war und die Füllung hervorquoll. Du brauchst nicht um Daisy zu trauern, flüsterte der Affe in seinem Kopf, die glasigen braunen Augen hypnotisch auf Hals weit aufgerissene blaue Augen
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