Blut soll fließen
heiß/kalt/heiß/kalt/heiß/kalt.
Joan und Bowen unterhielten sich. Mit gedämpfter Stimme. Crutch spitzte immer wieder die Ohren und konnte nichts verstehen. Bowen trank Kaffee. Joan trank Kaffee und rauchte. Ein weißes Paar sah sie giftig an - Rassenmischung. Joan berührte B ow ens Arm - einmal, zweimal, dreimal. Bowen zuckte dreimal zusammen. Crutch nahm Schallwellen wahr. Er hörte Joans heisere Stimme. Sie brannte sich ihm ein.
Er behielt seinen Kopf unten. Ihre Blicke begegneten sich nie. Joan redete mehr. Joan war eifrig, Bowen homo-typisch zurückhaltend. Joan hatte Gretchen/Celia damals im Mietshaus geküsst.
Crutch lehnte sich dichter ran. Er hörte das Blut in seinen Ohren rauschen. Er konnte nicht von Joans Lippen ablesen. Bowen hustete und sagte: »Eigenartiger Traum von dir.« Joan sprach etwas lauter. Sie sagte: »Konspirative Wohnung.«
Das war's, mehr war nicht, der Rest war gedämpfte Unterhaltung und -
Crutch klinkte sich aus, und anderweitig an und ein.
Konspirative Wohnung, Mietshaus, die falsche Stewardess Gretchen-Celia. Eine falsche Adresse: »Konspirative Rote-Socken-Wohnung.«
Crutch legte einen Dollar auf den Tisch und ging laaaaaangsam raus.
Konspirative Wohnung, Mietshaus, Todeshaus. Konfluenz, Nähe-
Er kam mit seinen Werkzeugen rein. Ins Horror-Haus: die dritte Tour.
Keine vagabundierenden Hippies oder Alkis als Hausbesetzer.
Seit dem letzten Besuch war alles unverändert. Feuchter, neuer Wintergestank, zunehmender Zerfall. Die Bodenbretter ächzten lauter, die kalte Luft wirkte eisiger.
Das war seine letzte Tour. Er musste sichtbare Schäden hinterlassen. Er konnte nie mehr zurückkommen. Dass sie überhaupt da gewesen war, erschien zweifelhaft. Aber er musste es versuchen.
Dietriche, Brecheisen, Stemmeisen, Taschenlampe, Stiftlampe. Ein improvisiertes Einbrecher-Stethoskop, drei Stunden bis zum Morgengrauen.
Er ging das Haus von oben bis unten ab. Er öffnete jede Schublade und sah jede Ablage durch. Er schnitt jedes Polstermöbel auf. Er blickte hinter jedes gerahmte Bild und hob jeden Teppich.
Das Haus war eiskalt. Er war in klammen Schweiß gebadet. Er ließ das Werkzeug fallen, wischte sich die Hände trocken und machte weiter.
Er kletterte über Leitern und suchte jede Mauer und jeden Dachsparren ab. Er schlug im Dachboden Ratten mit einer Schaufel tot und durchsuchte jeden Zentimeter. Er riss Bodenbretter weg und stocherte in Spinnweben, Insektennestern und Dreck herum.
Es regnete. Der Tag brach nur langsam an. Das gab ihm mehr Zeit. Er war mit einer Schmutzkruste bedeckt. Die vom Schweiß in eine dünne Schlammschicht verwandelt wurde.
Er klopfte jede Wandplatte ab. Er hielt sein Ohr ans Stethoskop und lauschte auf den Klang von Hohlräumen.
Es war Weihnachtsmorgen, er hörte Kirchenglocken und kämpfte mit den Tränen.
Draußen wehten Wolken vorbei. Etwas Tageslicht drang hinein. Am oberen Ende der Treppe fiel ihm eine lose Stufe auf.
Er ging hin. Das obere Brett der Stufe war lose. Die Nägel waren lose. Beide Holzteile wackelten.
Eine zweieinhalb Zentimeter breite Spalte wurde erkennbar. Er hebelte ein Brett ab und sah ein Versteck. Es war sechzig Zentimeter lang und dreißig Zentimeter hoch. Darin:
Ein kurzläufiger verrosteter Revolver Kaliber .38. Rostige Revolvermunition. Vier verschimmelte Pro-Castro-Traktate. Neun Traktate, die sich für illegale Mexen einsetzen. Ein US-raus-aus- VlETNAM -Poster. Ein kleines Notizbuch - jede Menge zusammengeheftete Seiten, verschmierte Tinte und verblasste Texte. Ein sichtbares Datum: 06.12.62.
Crutch hielt die Taschenlampe an die Blätter und kniff die Augen zusammen. Er konnte keine Worte erkennen. Er sah Zahlen und dachte instinktiv: ausländische Währungskurse. Was vorlag, war ihm klar: Protokolle eines Roten Palavers.
Der sich über Seiten hinziehende Text zerfloss zu Schlieren. Das letzte Blatt wies zuunterst drei deutlich erkennbare Unterschriften auf.
Terry Bergeron, Thomas F. Narduno, Joan R. Klein. SIE.
Crutch berührte ihren Namen. Er schwitzte und stand vor Dreck. Das Blatt zerfiel ihm in der Hand.
Noch was, das ihn aufmerken ließ. »Thomas F. Narduno«. Der Name gab ihm zu denken.
Er stand da und sann nach. Plötzlich war es wieder da.
Die Zeitungen aus St. Louis. Der Artikel über die Grapevine-Morde. Das eigenartige linke Opfer: Thomas F. Narduno.
Er räumte das Versteck aus. Er legte alles in seinen Werkzeugkasten. Er konnte wieder die Kirchenglocken hören. Er ging ins Freie und stand
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