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Blut und Harz

Blut und Harz

Titel: Blut und Harz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timo Leibig
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vergangen Abend. Die Nacht war der reinste Horror gewesen. Nach seiner überstürzten Flucht aus Rupperts Praxis war er nach Hause gerast. Sein Herz hatte geschlagen wie eine Trommel. Schweißgebadet war er in der Garage ausgestiegen und in die Wohnung gerannt. Erst als er alle Rollläden geschlossen und die Tür von Innen verriegelt hatte, war sein Adrenalinpegel gefallen. Sein Atem hatte sich beruhigt und das Gefühl der Angst war zumindest zum Teil von ihm gewichen.
    Erik schüttelte im Angesicht der schrecklichen Erinnerungen den Kopf. Was war nur los gewesen, fragte er sich.
    Er hatte sich, nachdem er wieder einigermaßen ruhig war, ein großes Glas Rotwein genehmigt und ihn mehr oder weniger hinuntergestürzt. Meistens beruhigten sich seine Gedanken dann wenig später, dieses Mal jedoch nicht. Nach dem Schoppen Wein war er beinahe unerträglich heiß duschen gegangen und hatte sich sofort fürs Bett fertig gemacht. In einen flauschigen, cremefarbenen Bademantel gehüllt, hatte er sich ein weiteres Glas Rotwein eingeschenkt und sich in sein Schlafzimmer zurückgezogen. Elias und Natalja waren scheinbar ausgegangen, doch Erik war froh darüber. So musste er sich nicht vor seinem Sohn rechtfertigen.
    Im Schlafzimmer hatte er dann über eine Stunde lang die Wand angestarrt und den Wein getrunken. Leider waren ihm zu spät die Worte von Ruppert eingefallen. »Kein Alkohol zu den Tabletten.«
    Seufzend und schimpfend hatte er sich seinem Schicksal ergeben und war ohne Schlafmittelchen, dafür leicht beschwipst, ins Bett gegangen. Er war auch überraschenderweise relativ zügig eingeschlafen, doch mehrmals schreckte er hoch. Es hatte zwar nicht die Erinnerung an einen konkreten Alptraum, doch das dumpfe Gefühl von Entsetzen, Panik und Angst war jedes Mal in ihm aufgebrandet. Die Erinnerung an das erschreckende Gefühl des Beobachtet Seins zog immer noch durch seinen Körper. Erst in den letzten Stunden der Nacht war er für kurze Zeit in einen mehr oder weniger erholsamen Schlaf ohne Träume geglitten.
    Plötzlich erkannte Erik vor sich die schmale Abzweigung zum Kloster. Er setzte den Blinker und bog in den Waldweg ab. Es gab keine Schilder, keine Hinweise. Wäre er nicht schon einmal hier gewesen, er wäre glatt daran vorbeigefahren. Es war, als wolle der Wald selbst die Einfahrt vor neugierigen Blicken verstecken.
    Langsam folgte Erik dem Weg durch die immer dichter werdenden Bäume und Büsche, die beständig näher an den Weg heranrückten. Er glaubte, durch einen endlosen, grünen Schlauch zu fahren, der immer enger wurde. Das Gefühl setzte sich bis zu seiner Brust fort. Er meinte, keine Luft mehr zu bekommen, doch nach wenigen Minuten lichtete sich das Dickicht und mit ihm die Beklemmung.
    Vor ihm schimmerten die Mauern des Klosters durch die Blätter. Je weiter er fuhr, desto mehr schälte sich von dem alten Gemäuer wie aus einem grünen Nebel hervor.
    Nach wenigen Sekunden konnte er die rötlichen Dächer sehen, die altertümlichen, hellen Wände, die schmal verglasten Fenster. Dann kam eine hölzerne Brücke zum Vorschein, die über einen Wassergraben auf eine künstliche Insel führte, auf der das Kloster erbaut worden war und von einer mannshohen Mauer umgeben wurde. Der moorige, grünbraune Wassergraben und die Mauer würde das Kloster zwar nicht vor Menschen schützen, dazu war der Graben nicht breit und die Mauer nicht hoch genug, doch ohne die Brücke würde man mit einem Fahrzeug, selbst mit einem robusten Nissan Patrol, keine Chance haben. Man müsste erst über den Graben hinwegsetzen und dann noch die Mauer überwinden.
    Wofür das Kloster überhaupt einen Schutzgraben mit Mauer hatte, war Erik schleierhaft. Wahrscheinlich stammte die Architektur aus dem Mittelalter, wo Klöster häufiger ein Ziel von Räubern und Dieben geworden waren. Die fetten Mönche von Früher hatten ja zum Teil im Überfluss gelebt. Was hatte Erik einmal gelesen? 8000 Kalorien am Tag hatten sie zugeführt. Der Wahnsinn.
    Sein Wagen glitt langsam auf die Brücke zu, die durch ein geöffnetes Tor hinter die Schutzmauer führte.
    Die massiven Eichendielen knarrten laut, als der schwere Mercedes darüber rollte. Mit offenem Mund bestaunte Erik dabei die kleine Waldabtei. Sonnenlicht flutete hier im Gegensatz zum Wald in vollen Zügen auf die Gebäude. Es wirkte wie die Hochglanzaufnahme einer Postkarte oder eines Urlaubsprospektes. Ein mittelalterliches Schlösschen. Der Anblick war idyllisch, märchenhaft. Wie aus einer

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