Blut und Harz
ist nicht zu spaßen. Du siehst insgesamt schlecht aus.« Ruppert begutachtete ihn fachmännisch von Kopf bis Fuß. »Blass und müde. Schläfst du zu wenig?«
Seufzend nickte Erik. »Ja, seit einigen Wochen. Und in den letzten Tagen fast gar nicht mehr. Das ist ein Grund, warum ich hier bin.« Er suchte Rupperts forschende Augen und fixierte sie. »Hast du nicht irgendetwas gegen Schlafstörungen? Irgendein Pülverchen aus deinem Zauberschrank?«
Der Versuch, einen Witz aus seinen Beweggründen zu machen, ging vollkommen schief. Hawelka starrte ihn nur durchdringend in die Augen. Von einem Lachen war weit und breit nichts zu hören. Sekunden verstrichen, dann drehte Ruppert sich mit einer Mischung aus Brummen und Seufzen zu seinem Zauberschrank um und kramte darin herum. Nach einer kurzen Suche hielt er ein blau weiß gestreiftes Tablettenpäckchen in Händen, aus dem er einen Riegel hervorzauberte. Auf dem perforierten Plastik waren fünf weiße Tabletten eingestanzt.
Mit besorgter Miene drückte er sie Erik in die Hand.
»Mehr bekommst du von mir nicht. Maximal eine Tablette am Abend, etwa eine halbe Stunde vor dem Schlafengehen. Kein Alkohol dazu. Und wenn diese fünf aufgebraucht sind, musst du mindestens ein halbes Jahr Pause machen. Die Gefahr einer Abhängigkeit ist viel zu groß.« Er wartete, bis Erik nickend seine Zustimmung gab, dann fuhr er mit belehrendem aber auch sorgenvollem Tonfall fort. »Du arbeitest einfach zu viel. Gönn dir doch eine Pause. Fahr weg. Mach Urlaub. Wie wäre es mit einer Kur? Ich verschreibe dir eine. Wird von der Privaten schon gezahlt.«
»Nein Ruppert. Ich bin gerade in der heißen Phase des neuen Hotelprojektes. Da kann ich nicht so einfach Urlaub machen oder für einen Monat an die Nordsee in irgendein schickes Kurhotel verschwinden. Ein wenig an der Meerluft schnuppern und mir den Rücken bei Aquagymnastik aufbauen. Das wäre zwar angenehm, aber wie stellst du dir das vor?«
Ruppert antwortete nicht. Er musterte seinen Freund nur aufmerksam und wartete schweigend. Erik hatte das Gefühl sich verteidigen zu müssen.
»Du weißt doch selbst, wie stressig Projekte sein können. Du bist ja auch selbstständig und momentan läuft bei mir einfach alles schief.«
»Du spielst auf den Häuserbrand an? Ich habe es in der Zeitung gelesen. Schrecklich.«
»Nein, das meine ich gar nicht.« Mit einer abwehrenden Geste würgte er Ruppert ab, der sofort zu einer Erwiderung ansetzen wollte. »Natürlich ist der Brand eine schlimme Sache, aber jetzt stellt sich auch noch dieses komische Kloster quer. Ich sag’s dir! Man hat nur Ärger als Geschäftsmann.«
Fragend wanderte die linke Augenbraue des Arztes nach oben. »Du meinst die kleine Abtei mitten im Wald? Was willst du denn von denen?«
Erik blickte überrascht auf. Dass Ruppert überhaupt das Kloster kannte, überraschte ihn. Bisher hatte niemand davon gewusst.
»Ja, genau das meine ich. Aber woher weißt du davon?«
Hawelka verschränkte die Arme hinter dem Kopf und lehnte sich in seinen weißen Ledersessel zurück.
»Ich war vor gut zehn Jahren wegen eines Notfalls dort. Ein Bruder hatte sich an einem rostigen Metall verletzt. Die Wunde hatte sich entzündet. Blutvergiftung. Ich konnte ihn noch rechtzeitig behandeln, aber recht viel mehr kann ich dir auch nicht darüber sagen. Ein sehr kleines, aber idyllisches Fleckchen Erde. Uraltes Gemäuer, viel Grün innen drin. Zumindest war es vor zehn Jahren so.«
Eriks Neugierde war geweckt. Jede Kleinigkeit, die er in Erfahrung bringen konnte, könnte sich bei seinen Verhandlungen als wertvoll herausstellen.
»Sonst weißt du nichts darüber? Hattest du dich nicht mal für Klöster im Allgemeinen interessiert?«
Ruppert lächelte dünn, wobei er die Augen verdrehte. »Ja, in meiner religiösen Phase, wenn ich das so nennen darf. Ich hatte nach dem Arzteinsatz etwas recherchiert, aber im Endeffekt konnte ich damals nichts Interessantes herausfinden. Ich konnte nicht einmal einen Namen der Abtei ausfindig machen, geschweige denn eine Zugehörigkeit zu einer Religion. Wenn du mehr darüber wissen möchtest, würde ich zu Pfarrer Lahm gehen. Der alte Kauz weiß mehr über jeden Bürger und jede Gruppierung als mir lieb ist. Wenn er nichts weiß, dann keiner mehr. Wahrscheinlich handelt es sich um irgendeine zurückgezogene Bruderschaft. Ich hatte damals den Eindruck, dass sie sehr autark und abgeschieden leben.«
Die Worte hingen noch einige Sekunden in der Luft, während
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