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Blut und Harz

Blut und Harz

Titel: Blut und Harz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timo Leibig
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weiteten sich ihre Augen voll Sorge.
    »Oh Gott! Sagen Sie das doch gleich. Ich werde meinen Onkel gleich anrufen und ihm das Ganze vertraulich ans Herz legen. Nicht dass Ihnen noch etwas passiert. Ich gehe gleich an die Arbeit. Bis wann benötigen Sie denn die Rechercheergebnisse?«
    Erik zuckte nichtssagend mit den Schultern. »Sie wissen doch selbst, dass alles am besten gestern schon fertig sein sollte. Fangen Sie einfach an, aber trudscheln Sie nicht herum, wobei Sie das ja eh nicht machen.«
    Frau Schwarz lächelte voller Stolz aufgrund des Kompliments, nickte, machte dabei graziös auf ihren hochhackigen Schuhen eine Drehung und stöckelte aus seinem Büro. Kopfschüttelnd blickte Erik den wankenden Beinen und dem kurvigen Hintern hinterher, dann ließ er die Luft geräuschvoll aus seinen Lungen entweichen, als sich die Tür hinter ihr geschlossen hatte.
    Und was machst du nun? fragte er sich. Eigentlich war alles vorbereitet. Die Baufirmen waren ausgesucht, die Aufträge vergeben, die Pläne bis ins Detail geschmiedet. Es fehlte nur noch die Einwilligung des Klosters.
    Schweigend kramte er seine kubanische Zigarrenkiste aus dem Schreibtisch, köpfte eine und steckte sie mit tiefen, langen Zügen in Brand.
    Reimund hatte mit seinen ironischen Worten nicht ganz Unrecht gehabt. Er konnte das Kloster nicht auch noch bis auf die Grundmauern niederbrennen. Er konnte auch nicht dreiundzwanzig Mönche einschließlich Reimund beseitigen. Das war vollkommen ausgeschlossen.
    Aber wie konnte er dieses verzwickte Problem lösen?
    Nachdenklich inhalierte er den aromatischen Rauch in den Mund, während er ans Fenster trat, von dem er aus in einen gepflegten, überdachten Innenhof blicken konnte. Ein einsamer Brunnen plätscherte leise vor sich hin, gesäumt von grünen Blumenbeeten, die zu dieser Jahreszeit leider keine Augenweide mehr darstellten. Die Szenerie wirkte heute mehr als trostlos.
    Was konnte er unternehmen? Geld löste normal alle Probleme, aber in diesem Fall war sogar dieser Gott machtlos. Grübelnd starrte er hinaus, gedankenversunken rauchend, bis er die Hitze der Glut unangenehm an seinen Fingern spürte und er aus seinen Überlegungen gerissen wurde. Leise fluchend registrierte er, dass er ohne es zu merken, auf den Boden geascht hatte.
    Die Putzfrau würde es spätestens am nächsten Morgen beseitigen, stellte er trocken fest. Mit genervter Miene trat er mit einem großen Schritt über die Asche hinweg zum Schreibtisch, um sie nicht noch weiter im Büro zu verteilen, und drückte den Zigarrenstummel im Aschenbecher aus. Mit leisem Knistern erlosch die Glut. Eine letzte, bläuliche Rauchschwade kräuselte sich in die Luft.
    Als er die erkaltete Asche betrachtete, kam ihm erneut das Fernsehzitat und Frau Schwarz Worte in den Sinn.
    Er überlegte kurz, dann traf er eine Entscheidung. Entschlossen griff er erneut zum Telefon. Seine Sekretärin nahm ab.
    »Herr Ritter! Wenn Sie wissen wollen, wie weit ich schon gekommen bin, dann kann ich Ihnen bereits gute Nachrichten mitteilen. Ich habe meinen Onkel vorhin erreicht. Er wird sich heute noch um eine Auskunft bemühen. Je schneller umso besser, oder nicht?«
    Ein leichtes Schmunzeln kräuselte seine Lippen, da ihn der unermüdliche Elan seiner Sekretärin immer noch positiv überraschte.
    »Gute Arbeit. Aber eigentlich hätte ich noch eine vierte, dringende Aufgabe für Sie.«
    »Die wäre?«
    »Möchten Sie jetzt meine Ballkönigin sein?«
    ***
    Reimund fühlte sich in diesem Hain geborgen und heimisch. Er gehörte hierher, auf dieses urweltliche, düstere Fleckchen Erde. Er spürte es. Dieser alte Wald, seit Anbeginn der Zeit unberührt, erstreckte sich über etwa ein Morgen Land, eine angestaubte Maßeinheit, die seine Brüder immer noch verwendeten. Früher hatte sich dieser Wald über die Hügel ins Endlose ausgebreitet wie ein dichter Teppich, bis das schützende Kloster um den Hain errichtet worden war. Das war vor langer Zeit gewesen. Jetzt roch es hier immer noch nach feuchter, satter Erde und Fäulnis. Die mit aschgrünen Nadeln bewaffneten Bäume standen dicht an dicht, wie eine kampfbereite Armee, die auf das Heulen des Kriegshorns wartete. Dazwischen reckten unbeugsame Eichen ihre krummen Äste in den dunkler werdenden Himmel und bildeten ein geschlossenes Dach, während knorrige, dicke Wurzeln unter der Erde miteinander um jeden Zentimeter Boden kämpften. Der Hain des Klosters war ein Ort drückender Schatten und tiefer Stille. Ein Platz

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