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Blut und Harz

Blut und Harz

Titel: Blut und Harz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timo Leibig
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undurchdringliches, feines Gitter, einem unbeschreiblichen Naturgefängnis gleich, nur hielten sie das Böse draußen.
    Er war in Sicherheit. Vorerst.
    Erschöpft sank Elias Kopf in die graugrünen Nadeln. Er spürte das Kribbeln von Käfern auf seiner Haut, doch er war am Ende seiner Kräfte. Seine letzte Erinnerung galt dem Geruch von harzigem Wald und moosiger Erde, dann tauchte er hinab in die Dunkelheit.

Kapitel 15
    »Verdammt! Wo ist dieser beschissene Mercedes!«
    Natalja war mittlerweile überzeugt, dass die beiden hierher gefahren waren. Ein unerwartetes Versteck für einen Entführer, genau das Richtige für einen so kranken Mann wie diesen Raben. Natalja stapfte leise fluchend weiter durch den Waldcampingplatz.
    Der Nebel wogte auf einmal heftiger und legte sich grauem, dünnem Rauch gleich zwischen die niedrigen Büsche, die den Weg links und rechts neben ihr säumten, als hätten ihre Worte böse Geister des nahen Waldes gerufen. Sie fröstelte.
    Wann würden die endlosen Stellplätze endlich aufhören? fragte sie sich verärgert. Eigentlich müsste ich doch schon alles durchsucht haben! Es ist doch nur eine kleine Anlage!
    Trotz ihres Ärgers durchkämmte sie unbeirrt und systematisch den Campingplatz weiter.
    Angefangen hatte sie auf der ausladenden Zeltwiese, gleich hinter dem Verwaltungsgebäude. Das Gras war grau und feucht und verlassen. Kein einziges buntes Zelt spitzte in den Himmel, kein sichernder Hering verweilte tückisch als Stolperfalle in der Erde.
    Hinter dem Zeltplatz, der sonst vom Lachen und Grölen von Jugendlichen erfüllt war, hatte sich Stellplatz an Stellplatz gereiht, nur wenige mit einem Wohnmobil oder einem Wohnwagen samt Vorzelt belegt, doch nirgends Eriks Mercedes.
    Ihr war kalt. Dazu kam die klamme Luft, die sich mittlerweile schwer auf ihre Brust legte. Die Nebelfetzen erinnerten an graue Spinnweben, die von den Ästen der Bäume herabhingen, die die einzelnen Plätze etwas intimer gestalteten und voneinander abgrenzten. Natalja konnte sich trotz der vereinzelten Laternen nicht des mulmigen Eindrucks erwehren, dass der Campingplatz surreal wirkte. Die Kulisse fühlte sich falsch und befremdlich an.
    Wie zur Antwort veränderte sich das Bild. Die leeren Gras-und Schotterflächen wurden von liebevoll gestalteten Dauercampingplätzen abgelöst: gestreifte Markisen, gemauerte Grillplätze, gepflanzte Hecken. Farbige Wimpel hingen an Schnüren, eine bunte Girlande leuchtete in rot, grün, blau, gelb und weiß, darunter grinste eine Horde von Gartenzwergen durch den Nebel.
    Ein eisiger Schauer lief Natalja über den Rücken. So stellte sie sich die spießige Hölle vor. Der Anblick war so grotesk, so bizarr in der Dunkelheit, dass sie schwer schluckte. Mit zusammengekniffenen Augen huschte sie weiter, ließ die Horde an Zwergen hinter sich, huschte von Platz zu Platz und spähte nach dem Mercedes oder nach einem Spalt Licht, der zwischen den Ritzen von Vorhängen hervorsickerte.
    Plötzlich hörte sie leise Stimmen. Mehr ein Gemurmel. Zwei Männer.
    Ihr Herz begann zu klopfen.
    Sie sah sich nach der Quelle der Worte um, bemerkte scheckiges Licht hinter einem Busch. Der Wohnwagen dahinter war klein, alt und mit einer Patina überzogen. Fleckiges Moos und fahles Grün.
    Geräuschlos trat sie zwischen zwei hohen Sträuchern hindurch. Das Gemurmel wurde lauter, blieb aber unverständlicher Kauderwelsch.
    Der Rollladen des hinteren Fensters war nicht heruntergezogen. Im Inneren standen sich zwei durchtrainierte Männer gegenüber, die Oberkörper nackt. Das schummrige Licht zeichnete ihre definierten Brust-und Schultermuskeln ab, ließ Schatten über die gebräunte Haut tanzen. Was unterhalb der Hüfte lag, wurde vom Fensterrahmen verborgen. Einer der fremden Männer strich dem anderen zärtlich über die Wange. Als Natalja die beiden Schwulen sah, wendete einer von ihnen den Kopf und blickte sie unvermittelt durch die Scheibe an. Er hatte wohl ihre Blicke gespürt, was auch nicht verwunderlich war. Ihr Gesicht musste wie ein heller Mond im Fenster erschienen sein. Erschrocken riss er die Augen auf, sichtlich überrascht, einen ungebetenen Beobachter zu haben.
    Scheiße! dachte Natalja. Gleichzeitig setzten sich ihre Beine reflexartig in Bewegung. Sie wollte die Beiden doch nicht stören!
    Sie quetschte sich an einem Busch vorbei, huschte an einem anderen Wohnwagen entlang und schlüpfte geduckt durch einen schmalen Spalt. Eine feuchtglänzende Zeltplane streifte ihre Hände.
    Mit

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