Blut und Harz
erreichbar. Sie würden warten müssen.
Alexander presste den Filter der Kanne nach unten, wobei sein Trizeps den Oberarm wölbte. Das Kaffeepulver wurde auf den Grund des Glasbodens gedrückt. Nachdenklich goss er jedem ein. Als der gefilterte Kaffee in die Tasse plätscherte, kam Erik eine Idee.
»Sie könnten Reimund anrufen«, sagte er. »Sie … Entschuldigung … du könntest ihm eine Fangfrage stellen, worauf wir Klarheit haben. Vielleicht erfahren wir auf diesem Weg etwas.«
Alexander formte die Lippen zu einem Schmollmund, während er sich den Vorschlag durch den Kopf gehen ließ. »Und was soll ich ihn fragen?«
»Keine Ahnung.« Erik zuckte mit den Schultern. »Sag ihm, dass es mehr Mitwisser sind, als angenommen. Sagen wir, zwölf. Frag ihn, ob du nun alle eliminieren sollst, oder nicht.«
»Nein, das ist sinnlos«, erwiderte Alexander. »Bruder Raphael hat immer betont, dass Geld keine Rolle spielt. Ob es nun fünf oder zwanzig Mitwisser sind, ist ihm egal.«
»Dann sag ihm, dass du nun alle Mitwisser in Erfahrung gebracht hast, doch du willst erst die Hälfte der Bezahlung haben, bevor du so viele Leute umlegst. Ist ja ein hohes Risiko für dich. Ich bin gespannt, was Reimund daraufhin tut. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er so locker flockig eine viertel Million Euro in seinen Roben versteckt hat.«
Der Rabe nippte laut schlürfend von seinem Kaffee. Erst einmal, dann zweimal und ein drittes Mal. Dann nickte er. Wenig später hielt er sich sein eigenes Handy ans Ohr.
Mit klopfendem Herzen lauschte Erik. Seine Nerven waren vor Neugierde zum Zerreißen gespannt, doch als Alexander zu reden begann, fiel die Nervosität von ihm ab.
»Rufen Sie mich zurück. Dringend!«
Alexander legte auf, das Handy wanderte auf den Tisch. »Auch die Mobilbox.« Seine Stimme klang zum ersten Mal müde.
Erik nahm die heiße Tasse in die Hand. »Dann bleibt uns wirklich nichts anderes übrig, als zu warten.« Er wollte gerade von seinem Kaffee kosten, als der feine Schotter, der den Boden des Stellplatzes bedeckte, verräterisch knirschte. Der Laut kam vom hinteren Fenster.
Noch ehe Erik das Geräusch zu einem unachtsamen Fußtritt eingeordnet hatte, flog der Rabe geräuschlos und mit gezückter Waffe zu Tür. Seinen Bewegungen wohnte eine raubtierhafte Eleganz inne, die Erik erneut erblassen ließ. Erst jetzt wurde ihm klar, wie gefährlich dieser Mann war. Er konnte von Null auf Hundert in weniger als einer Sekunde umschalten, war sofort mit höchster Konzentration bei der Sache, dazu mischte sich tödliche Präzision.
»Reden Sie einfach normal weiter, egal was passiert!« zischte der Rabe, dann war er lautlos durch die Tür verschwunden. Eiseskälte strömte herein. Erik schluckte seine Angst hinunter, dann brabbelte er einfach weiter, erzählte wie vollmundig der Kaffee doch sei.
***
Natalja hielt den Atem an. Sie hatte vor lauter Aufregung, dass sie Eriks Stimme im Wohnwagen gehört hatte, nicht aufgepasst und den Schotter nicht bemerkt. Wie durch ein Wunder hatte er nicht schon viel früher geknirscht, doch nun war es doch passiert.
Das Gespräch im Inneren war für einen langen Moment verstummt, dann hatte Erik wieder begonnen, etwas über vollmundigen Kaffee zu erzählen.
Natalja ließ erleichtert die Luft als grauen Dunst aus ihren Lungen entweichen. Man hatte sie also nicht gehört. Aber warum unterhielt sich Erik mit seinem Entführer über Kaffee? Warum hatten sie zusammen Rotwein und Sauerkraut verspeist? Wie ging das zusammen? Sein Gesprächspartner war verdammt nochmal ein Killer, kein Koch, den er für sein neues Hotel einstellen möchte.
Hartes Metall dockte an ihrem Hinterkopf an, gleichzeitig legte sich eine kräftige Hand um ihren Mund, presste den Kiefer zusammen.
Natalja riss vor Überraschung die Augen auf. Der Killer! Er stand hinter ihr.
Ohne Nachzudenken, schlug Natalja die Hacke ihres rechten Fußes wie beim Lauftraining mit aller Kraft nach oben. Normalerweise hätte sie ihre Ferse an ihrem Hintern gespürt, doch nun traf sie den Killer, der hinter ihr stand.
Ein unterdrücktes Grunzen ertönte in ihren Ohren.
Sie hatte getroffen. Gleichzeitig lockerte sich der Griff um ihren Mund ein wenig.
Ihre Chance.
Mit ganzem Körpereinsatz warf sie sich nach vorne, versuchte aus der Gefahrenzone seiner Hände zu entkommen. Das Metall des Schalldämpfers verlor seinen Kontakt, Natalja fiel kerzengerade in den Schotter. Schmerzhaft krachte sie mit den Knien in die scharfkantigen
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