Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blut und Harz

Blut und Harz

Titel: Blut und Harz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timo Leibig
Vom Netzwerk:
schwerem Herzklopfen blieb sie dahinter stehen und lauschte in die Dunkelheit. Nichts war zu hören. Keine Wohnwagentür wurde aufgestoßen, keine Flüche ertönten, keine Schimpftriaden zeterten zu ihr herüber.
    Erleichtert atmete sie durch. Ein lauter Streit inmitten dieser Stille hätte ihr gerade noch gefehlt. Doch der kurze Anblick der Männer erinnerte sie an ihr eigenes Pech.
    Warum haben alle ihr Glück gefunden, nur ich nicht? fragte sie sich. Was mache ich eigentlich, wenn Erik und der Killer nicht hier sind? dachte sie missmutig. Vielleicht waren die beiden Kerle die einzigen Gäste hier und sie hatte sich getäuscht. Wahrscheinlich saß Erik mit seinem Entführer immer noch im Wagen, holperte über unbekannte Landstraßen. Natalja versuchte, die düsteren Gedanken zu vertreiben, aber es gelang ihr nicht. Der Nebel, der schon den ganzen Tag dominierte, hatte sich auch in ihren Geist eingenistet, irgendwann auf dem Weg seit dem Krankenhaus und dem Campingplatz. Und es war wie mit einer hartnäckigen Erkrankung: man bekam sie nicht mehr los.
    Gedankenversunken lief sie weiter, bis ein Wagen ihr abrupt den Weg versperrte, abgedeckt mit einem silbrigen Regenschutz, der mit schwarzen Gummibändern festgezurrt war. Gerade noch konnte sie sich vor einem Aufprall mit dem Kotflügel bewahren. Ihr Blick huschte über die Motorhaube. Das Gras vor den Reifen war plattgedrückt und glänzte nass vom Nebel. Der mittelgroße Wohnwagen, der hinter dem PKW stand, wurde bewohnt. Die feinen Spalte an den Fensterrändern glühten hell.
    Natalja starrte ungläubig auf den Wagen. Größere Limousine. Die Form konnte passen. War es wirklich möglich?
    Mit hastigen Schritten umrundete sie das Auto und ging vor dem Kofferraumdeckel in die Hocke. Schwarzer Lack kam unter dem knisternden, kühlen Satin zum Vorschein. Leise knackte der noch warme Auspuff. Spätestens beim Nummernschild waren alle Zweifel verflogen. Vor Natalja stand das Ziel ihrer Suche: Eriks Mercedes.
    Vorsichtig sah sie sich um, fixierte den Wohnwagen. »Volltreffer!« murmelte sie triumphierend.
    Geduckt schlich sie am Auto vorbei, umrundete ein Blumenbeet und erreichte die Wohnwagenrückseite. Eine gedämpfte Stimme drang durch die dünnen Wände.
    Mit kleinen Schritten trippelte sie um die Ecke, schob sich an Rücklichtern vorbei, während sich unter ihren Füßen ein verlegtes Stromkabel wie eine Schlange durch glitschige Grasbüschel schlängelte. Dann trat sie auf feinen, harten Splitt. Natalja blieb stehen.
    Sie konnte die Stimme nun eindeutig zu Elias Vater zuordnen. Die Modulation der Töne war unverkennbar, doch die Worte an sich waren immer noch zu dumpf und unverständlich.
    Sie musste näher ran.
    ***
    Das warme Licht einer 60 Watt Glühbirne erleuchtete den mit beigem Stoff verzierten Lampenschirm, der im Innenraum des Wohnwagens den Hauch einer Luxuseinrichtung versprühte. Aus kleinen Ritzen hinter den Polstern der u-förmigen Sitzecke quoll heiße Luft hervor, ein Ergebnis der Gasheizung, die der Killer direkt nach ihrer Ankunft aktiviert hatte.
    Erik war froh darum. Obwohl er eigentlich warm genug angezogen war, fröstelte es ihn, was aber wohl eher an mangelnden Kalorien lag, als an der schwindenden Kälte im Innenraum.
    Der Rabe kramte aus einem Ausziehschrank zwei Flaschen Mineralwasser hervor, die er auf den einklappbaren Tisch stellte. Im Normalfall war der Wohnwagen für zwei Personen ausgelegt, für die je ein Bett vorgesehen waren, doch in Notfällen konnte die Sitzecke zu einem breiten Zusatzbett umfunktioniert werden. Zu viert konnte man es dann einige Tage aushalten.
    »Was anderes zu Trinken habe ich nicht. Wir können höchstens noch einen Kaffee kochen, wenn Sie möchten. Ich habe von den Besitzern einen Kaffeezubereiter übernommen, so eine Kanne mit Pressfilter. Pulver ist auch da.«
    Der Gedanke an frischen Kaffee ließ Erik erwartungsvoll die Hände reiben. » Gerne!«
    Der Rabe nickte und machte sich an die Arbeit. Er klappte die Abdeckung der Kochplatte nach oben, sicherte sie mit einem Plastikriegel und zauberte ein Feuerzeug aus seiner Jackentasche hervor.
    Der Gasofen knackte, als er den Schalter umlegte und die Flamme an das entweichende Gas hielt. Sofort entzündete sich knisternd der Brennstoff. Eine blaue Flamme züngelte ihm entgegen.
    »Wieso besitzen Sie eigentlich ausgerechnet hier einen Wohnwagen?« fragte Erik. »Sie sehen mir nicht aus, als würden Sie hier Urlaub machen.«
    Ein zerbeulter Blechtopf wanderte

Weitere Kostenlose Bücher