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Blut und Harz

Blut und Harz

Titel: Blut und Harz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timo Leibig
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hochbegabt bin und mich einfach gelangweilt habe. Ich war unterfordert, was sich in Gewaltausbrüchen und Unberechenbarkeiten äußerte.« Der Rabe zuckte mit den Schultern. »Wie dem auch sei, Darja und Konstantin kamen nicht mit mir zurecht. Als letzten Ausweg wandten sie sich an meinen Onkel Sergei. Haben sie dir jemals von ihm erzählt? Sergei Orlow? Später auch Sergei Kowalski?«
    Natalja blies gerade eine aufgespießte Nudel kalt. »Ja. Mama erwähnte Mal einen Onkel namens Sergei. Er würde in Warschau wohnen. Aber das ist alles, was ich weiß.«
    Alexander nickte wissend.
    »Sergei nahm mich zu sich auf, da war ich gerade einmal zwölf Jahre alt. Er holte mich nach Warschau. Ihr müsst wissen, dass er dort einen Haufen Geld verdiente. Mit was ist nebensächlich, aber sicher nicht auf dem legalen Weg. Von ihm lernte ich alles. Bei ihm blühte ich auf. Er erkannte meine Begabungen, förderte sie. Ich stieg später in seine Geschäfte mit ein, wurde zu seiner rechten Hand, bis -«
    Alexander stockte. Erik blickte gespannt von seinem Teller auf. Er hatte ein Beben in der Stimme des Raben gehört, was ihn aufhorchen ließ.
    »- er ermordet wurde«, beendete Alexander den Satz.
    Natalja stieß pfeifend die Luft aus. »Ermordet? Unser Onkel? Was ist passiert?«
    »Sergei, auch genannt der Bär , hatte viele Feinde. Eine kleine, rivalisierende Organisation verübte einen tückischen Anschlag auf sein Haus. Es war Heilig Abend. Ein Trupp von sieben Mann eröffnete das Feuer auf das Festmahl, genau zu dem Zeitpunkt, als alle an der Tafel saßen und freudig speisten. Sie steckten die Villa in Brand. Alle kamen ums Leben, nur ich konnte mich gerade noch retten. Das ist nun elf Jahre her. Die Spuren sieht man heute noch in meinem Gesicht.«
    Erik ließ seine zerkratzte Gabel auf den Teller sinken. Tief in seinem Inneren regte sich tatsächlich Mitgefühl, eine seltsame Verbundenheit zu diesem fremden Killer, der versucht hatte, ihn zu töten und seinen Sohn schwer verletzte. Es war verrückt. Er hätte diesen Mann hassen müssen, doch es gelang ihm einfach nicht.
    »Seit diesem Abend bin ich nur noch Cleaner und ihr könnt mir glauben, dass von den damaligen Mördern keiner mehr am Leben ist.«
    Mit lautem Scheppern krachte seine Faust so abrupt auf die Tischplatte und ließ die Teller springen. Natalja zuckte erschrocken zusammen. Alexander merkte es nicht einmal. Unbeirrt fuhr er fort: »Das beantwortet eine deiner Fragen, warum ich das bin, was ich bin. Als ich damals aus dem brennenden Haus floh, drückte mir Sergei noch sein Vermächtnis in die Finger.«
    Alexander streifte einen goldenen Ring vom Finger, seinen einzigen Schmuck, wie Erik feststellt, und ließ ihn funkelnd über den Tisch rollen. Erik sah, dass auf der Innenseite etwas eingraviert war. Lesen konnte er es von seinem Blickwinkel aber nicht.
    »Dieser Ring war der Schlüssel zu einem Schweizer Nummernkonto. Den Sicherheitscode verriet Sergei mir mit seinen letzten Atemzügen. Was ich dort in dem Schließfach fand, raubte mir den Atem. Ich hatte immer gewusst, dass Sergeis Geschäfte gut liefen, aber auf mich warteten umgerechnet siebzehn Millionen D-Mark.« Alexander schüttelte ungläubig den Kopf, wie wenn er die Wahrheit immer noch nicht akzeptiert hätte. »Eine Summe, die ihr euch nicht ansatzweise vorstellen könnt. Ich hielt sie von einem Augenblick zum nächsten in meinen Händen. Neben dem Geld lag noch ein säuberlich verschlossenes Din-A4 Kuvert im Schließfach. Darin befanden sich Fotografien eines Babys, eines Kleinkindes und eines jungen Mädchens im Grundschulalter. Die bruchstückhafte Dokumentation eines heranwachsenden Lebens.« Alexander suchte Nataljas blick, fixierte sie.
    »Deines Lebens.«
    Natalja war damit sichtlich überfordert und Erik wollte ihr helfen. Gleichzeitig brannte ihm eine Frage auf der Zunge. Er wollte sich gerade in die Unterhaltung einmischen, doch Natalja kam ihm zuvor.
    »Woher hatte Sergei Bilder von mir?« fragte sie beklommen.
    Erik schloss wieder den Mund. Genau das gleiche hatte er fragen wollen.
    »Darja hatte Sergei in unregelmäßigen Abständen Fotos zukommen lassen. Einem Brief, der den Fotos beilag, entnahm ich, dass mir Sergei irgendwann erzählen sollte, dass ich eine Schwester habe. Darja riet ihm, auf den rechten Augenblick zu warten. Ich weiß nicht, wann Sergei es mir erzählt hätte, aber so erfuhr ich von dir. Ich war hin und her gerissen, wollte dich finden, doch meine Vernunft siegte. Du

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