Blut und Kupfer
worden.
Albrecht starrte sie zornig an, machte dann aber lediglich eine theatralische Geste und sagte, schon halb im Gehen: »Bitte, macht mir die Freude, kommt in einer festlichen Robe zum Abendessen und versprüht Euren unnachahmlichen Witz. Meine Gattin ist in dieser Hinsicht leider eine herbe Enttäuschung.« Ihr Bruder griff sich an die Stirn und sprach wie unter Schmerzen: »Allein der Jesuit bringt mich an die Grenzen meiner Nachsicht …«
»Warum werft Ihr ihn nicht hinaus?«
Kopfschüttelnd ging Albrecht davon. Sie hörte ihn noch fluchen: »Und fürwahr, er wäre nicht der Einzige, den ich liebend gerne des Hauses verweisen würde!«
Marie hörte, wie es hinter der dicken Tür zu Remigius’ Turm raschelte. Zweifelsohne war ihrem Onkel kein Wort entgangen. Sie klopfte. »Oheim?«
Nachdem sie eine Zeit lang vergebens gewartet hatte, gab sie es auf, tätschelte Aras den Kopf und machte sich auf den Weg ins Wohnhaus.
Die Zeit bis zum Essen verbrachte sie damit, sich von Vroni herausputzen zu lassen. Seit ihrer Ankunft auf dem Gut hatte Marie keine ihrer kostbaren Roben getragen und entschied sich auch jetzt für ein vergleichsweise schlichtes mauvefarbenes Kleid. In einem Unterkleid aus Batist und ihren besten weißen Seidenstrümpfen stand sie vor Vroni und ließ sich die Steißrolle um die Hüfte legen.
Vroni drückte die mit Werg, kurzfaserigem Hanf- und Flachsabfall gefüllte kreisförmige Rolle, damit sie gleichmäßig rund wirkte. »Die Herrin trägt noch den sperrigen Reifrock. Dieses Ding, wie nennt Ihr es?«
»Steißrolle oder Weiberspeck!«, sagte Marie und kicherte.
»Ja, das ist besser, da fallen die Röcke schön drüber, und Ihr könnt Euch bequem setzen.«
Nachdem die Röcke angezogen waren, ließ Marie sich das Oberteil mit der neumodischen Schnebbentaille anlegen und stieß hörbar die Luft aus, als Vroni die Schnüre am Rücken festzurrte. »Sitzen kann ich, aber lass mir noch Luft zum Atmen.«
Vroni schob die Unterlippe vor. »Jetzt beschwert Euch nicht. Ich darf so schöne Dinge gar nicht erst tragen!«
Die Gesetze verboten den niederen Ständen das Tragen golddurchwirkter Stoffe wie Damast oder Brokat und den Bürgerinnen die Reifröcke. Herzog Maximilian ließ streng auf die Einhaltung der Kleiderordnung achten und hatte sogar bei Hof allzu prächtige Roben verboten, um der Verschwendungssucht vorzubeugen.
Kritisch betrachtete Marie ihr tiefes Dekolleté. »Dort in der Truhe muss noch ein Stück schwarze Spitze liegen. Die heftest du mir drunter.«
»Oh nein! Dann seht Ihr genauso trist aus wie die Herrin!«
»Ich bin eine Witwe im ersten Trauerjahr.«
Widerstrebend zog Vroni die Spitze aus der Truhe.
Marie öffnete ein Ebenholzkästchen, das mit Einlegearbeiten aus Perlmutt und Elfenbein verziert war. Für sich genommen war es keine Kostbarkeit, doch es war ein Geschenk ihres Vaters, und deshalb hielt sie es in Ehren. Sie ließ eine lange Perlenkette mit einem Kreuz durch die Finger gleiten.
Vroni kräuselte missbilligend die kleine Nase. »Die Herrin trägt nichts anderes. Nehmt die dort!« Sie nahm eine feine Goldkette mit einem Rubinanhänger heraus und drückte sie Marie in die Hände.
Traurig schaute Marie auf den schön geschliffenen Stein, während sie der Wärme von Vronis Händen nachspürte. Es war lange her, dass jemand sie zärtlich berührt hatte. »Das hat mein seliger Gatte mir geschenkt.«
»Ihr sprecht gut von ihm. Wart Ihr ihm zugetan? Oh, verzeiht meine Neugier!« Beschämt senkte Vroni den Blick und machte sich an der Spitze zu schaffen.
Im Spiegel beobachtete Marie das junge Mädchen. »Hast du einen Verehrer, Vroni?«
Das Mädchen errötete und schüttelte vehement den Kopf. »Aber ich wünsche mir, dass der Mann, mit dem ich die Ehe eingehe, mir gut ist! Ich will mich doch nicht grämen und zanken müssen für den Rest meines Lebens!«
Über die ehrliche Antwort lächelnd sagte Marie: »Meine Ehe mit dem Freiherrn von Langenau war durchaus glücklich zu nennen, auch wenn uns Kinder verwehrt blieben.« Sie legte die Goldkette zurück und schloss das Kästchen. Werno war ein aufmerksamer Gatte und Liebhaber gewesen, zumindest während seiner kurzen Aufenthalte auf Langenau. Sie hatte bald feststellen müssen, dass ihr Mann ein unruhiger Geist war, ständig auf der Suche nach Zerstreuung und Abenteuern, die er am Spieltisch, auf der Jagd oder in den Armen schöner Frauen fand. Insofern unterschied er sich kaum von anderen Ehemännern, doch war
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