Blut und Kupfer
Abneigung gegen das habsburgische Herrscherhaus. Ein Majestätsbrief des verstorbenen Kaisers hatte Rittern, Herren und freien Städten das Recht der freien Religionsausübung gewährt und die Protestanten dazu berechtigt, Kirchen zu erbauen. Trotzdem gab es ständig Spannungen zwischen den konfessionellen Lagern.
»Ferdinand von der Steiermark? Der ist doch ein Erzkatholik und für sein gegenreformatorisches Streben verschrien. Ausgerechnet der soll die böhmische Krone tragen? Das wird blutig enden«, orakelte Albrecht düster.
Marie konnte sich vorstellen, dass der mächtige bayerische Herzog die Habsburger in dieser Wahl unterstützte, hatte er sich doch selbst mit der Besetzung von Donauwörth den Ruf eines brutalen Rekatholisierers eingebracht. Und die Jesuiten, dachte Marie, trugen ihr Teil dazu bei, das Volk gegen die Protestanten aufzuhetzen.
»Sei’s drum«, sagte Albrecht. »Josef, nimm den Herrn aus Prag mit in die Küche und gib ihm eine Mahlzeit und eine Kammer für die Nacht. Dann zeig ihm den Turm. Versucht Euer Glück. Mein Oheim ist ein ungeselliger, verschrobener Mensch, der nicht mit jedem zu konversieren pflegt.«
Aus dem Jagdzimmer wurde nach Albrecht gerufen, und er hielt seiner Schwester den Arm hin. »Bitte, man wartet auf uns.«
Marie legte zögernd die Hand auf Albrechts Arm. »Wenn der Oheim heute nicht zu sprechen ist, begleite ich Euch morgen früh, Herr Sandracce.«
Ruben nickte kaum merklich, doch seine unergründlichen dunklen Augen musterten sie aufmerksam.
»Meine Schwester vertreibt sich die Zeit mit Büchern und den merkwürdigen Experimenten des alten Sonderlings. Aber wenn Ihr erst Euren Zukünftigen kennt, Marie, wird sich diese Marotte geben«, fügte Albrecht hinzu und zog seine Schwester mit sich fort.
Das Jagdzimmer wurde von Kandelabern erleuchtet, und an der langen Tafel saßen bereits Eugenia, ihre Kinder, der Jesuit und ein Mann in Albrechts Alter, den sie aufgrund seiner steifen Art als den Hofbeamten und Juristen Doktor Kranz identifizierte. Die beiden Männer erhoben sich, um Marie ihre Reverenz zu erweisen.
»Doktor Magnus Kranz, es ist mir eine Ehre, Euch meine Schwester, die Freifrau Marie-Therese von Langenau, vorzustellen.«
»Teuerste Gräfin«, hob der Doktor der Jurisprudenz an, verhaspelte sich nervös und wurde von Marie unterbrochen.
»Zu viel der Ehre, Herr Doktor. In den Grafenstand braucht Ihr mich nicht gleich zu erheben, obwohl das meinem seligen Gatten sicher große Freude bereitet hätte«, sagte sie höflich lächelnd, während sie sich auf dem Stuhl niederließ, den ihr Bruder neben Eugenia und gegenüber dem Verehrer hingeschoben hatte.
»Marie!«, zischte Albrecht hinter ihr und ruckte an der Stuhllehne.
Der höfische Sekretär schien nicht entmutigt, sondern nahm sein Glas und sagte: »So viel weibliche Schönheit verschlägt mir leicht die Sprache, und ich denke, dass mir Eure verehrte Schwester unter diesen Umständen meinen Fauxpas verzeiht?«
Marie nickte gezwungenermaßen. »Natürlich.« Hinter dem weichlich anmutenden Gesicht des Juristen, das von kurzen blonden Haaren gerahmt wurde, schien sich ein scharfer Verstand zu verbergen. Seine Haut war hell und mit Sommersprossen übersät, und die graublauen Augen musterten sie auf eine geradezu unverschämte Weise. Nein, den Herrn Doktor durfte sie keinesfalls unterschätzen.
Nachdem die Herren sich gesetzt hatten, sprach Pater Hauchegger ein Tischgebet, und das Essen wurde aufgetragen. Vor jedem Gast standen ein Glas und ein irdener Teller, daneben lagen eine zweizinkige Gabel, ein Messer und ein Löffel. Die Gläser hatten einen hohen Stiel, waren bunt und böhmischer Herkunft.
Marie tippte gegen ihr grünes Glas und wandte sich an Eugenia. »Die sind sehr hübsch. Habt Ihr sie mit in die Ehe gebracht?«
»Ja, die Gläser sind Teil meiner Aussteuer.« Dabei warf Eugenia Albrecht einen vorwurfsvollen Blick zu. Die Kinder rutschten auf ihren Stühlen hin und her und zogen sich mit den Fingern Fleischstücke aus dem Topf in der Mitte. Als die kleine Elisabeth einen Löffel Rübenmus erfolglos bis zu ihrem Teller balancieren wollte, war das Tischtuch gänzlich ruiniert.
Eugenia rief eine der Dienerinnen. »Bring das Kind nach oben. Es kann sich bei Tisch nicht benehmen und wird daher hungrig zu Bett gehen.«
Das vierjährige Mädchen riss die großen hellblauen Augen auf und begann zu weinen. In seiner Not wischte es die verschmierten Händchen am Tischtuch ab und schaute
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