Blut und Kupfer
böhmischen Heer unter Matthias von Thurn angeschlossen, das die Tore von Wien belagerte.
»Marie!« Ruben hatte sie bemerkt und stand auf.
Seufzend ging Marie ihm entgegen und schlang ihre Arme um den geliebten Mann. Nachdem sie sich geküsst hatten, fühlte sich die Furcht, die immer dann in ihr aufstieg, wenn sie an Georg und den Krieg dachte, weniger bedrohlich an.
»Du hast an deinen Bruder gedacht, nicht wahr?« Ruben trat mit ihr ans Fenster und hielt sie in den Armen, während sie auf das Meer blickten, an dessen nördlichen Ufern hinter den Alpen feindliche Heere aufmarschierten und das Land verwüsteten.
Und an Tulechow, dachte Marie, der als Feldherr unter Maximilian diente und Georg seine Rache spüren lassen würde, sollten sich ihre Wege jemals kreuzen. »Er hätte sich nicht zum Kriegsdienst melden müssen!«
»Georg ist einer, der stets auf die Füße fällt. Du wirst sehen, eines Tages steht er vor unserer Tür und will seine Nichten und Neffen sehen.« Liebevoll strich Ruben über ihren Leib.
»Nichten und Neffen? Lass uns mit einem Sohn anfangen!«, lachte Marie.
»Oder einer Tochter, die so ist wie du.« Er küsste sie und drehte sie zur Werkbank. »Schau! Die Vögel und Blumen sind morgen fertig, dann klebe ich sie in die Tischplatte und bringe sie nach Florenz.«
»Und die Schatulle dort?«
Er lächelte. »Das ist etwas für Bertuccio. Wir erfinden noch eine schöne Geschichte dazu. Natürlich nicht so clever wie die von Ser Mazzei, dem alten Halunken!«
»Oh, sei still, Ruben. Herzog Cosimo darf niemals von dem Betrug erfahren! Einen Medici hintergeht man nicht, selbst wenn man Ficino heißt.«
Jener Brief, den Abt Jacobus ihr in München ausgehändigt hatte, war ein Schreiben von Ser Mazzei an Marsilius Ficinus gewesen, aus dem eindeutig hervorging, dass Mazzei die Tafeln mit der Hilfe von da Pescia und Ficinus hatte herstellen lassen, um sie mit großem Gewinn heimlich zu verkaufen. Niemand anders als Ficinus selbst hatte sich als geheimnisvoller böhmischer Gelehrter verkleidet und eine bühnenreife Vorstellung in der Werkstatt da Pescias abgeliefert. Mazzei hatte bröckchenweise Gerüchte um das vermeintliche Geheimnis der Tafeln ausgestreut und sie an fanatische Sammler in Böhmen teuer verkauft. Ein groß angelegter Betrug mit unvorhersehbaren, tödlichen Folgen. Wahrscheinlich hatten Mazzei und Ficinus noch auf dem Totenbett ihren Spaß an dem lukrativen Betrug gehabt. Das Tagebuch hatte der Kunsthändler geschrieben, um ihre Familien vor der Rache betrogener Käufer und vor dem Zorn der Medici zu schützen. Einen Medici betrügt man nicht.
»Nein, mein Herz. Keine Geheimnisse, keine schwarze Magie.« Rubens dunkle Augen leuchteten schalkhaft. »Nur eine winzige Lüge hier und da.«
Nachwort
Die Handlung dieses Romans ist frei erfunden, doch ohne die Sammelleidenschaft von Kurfürst Maximilian I. von Bayern (1573–1651) und die schillernde Persönlichkeit seines Vaters, Wilhelm V., wäre diese Geschichte nicht entstanden. Bei Recherchen zu anderen Projekten stieß ich auf die Scagliola als Kunstform und war von den Gestaltungsmöglichkeiten des Kunstmarmors fasziniert. In der Möbelkunst des siebzehnten Jahrhunderts genoss die Kunst des Pietra-Dura, die Einlegearbeit aus edlen Steinen und Marmor, einen hohen Stellenwert. Werkstätten in Prag und Florenz waren darauf spezialisiert und brachten renommierte Edelsteinsetzer wie die Castruccis hervor.
Maximilian I., damals noch Herzog, war um die repräsentative Ausstattung und Erweiterung der Münchener Residenz bemüht. Allerdings kämpfte er gegen einen verschuldeten Staatshaushalt, den ihm sein Vater hinterlassen hatte. Wilhelm V. förderte verschwenderisch die Künste und die katholische Kirche. Das Jesuitenkloster und die Michaelskirche in München wurden unter ihm erbaut. Überhaupt holte Wilhelm die Jesuiten unter anderem nach Altötting, Regensburg, Biburg und an die Universität von Ingolstadt. Maximilians Erziehung wurde maßgeblich von den Jesuiten geprägt. Wilhelm verstieg sich in absurde Pläne zur Reformierung der maroden Staatsfinanzen und versuchte sogar mit Hilfe der geheimen Künste, der Alchemie, Reichtümer zu erzeugen. Seine Hoffnungen zerrannen mit dem Scheitern des Betrügers Marcus Bragadino, der ihm Gold aus der Retorte fließen lassen sollte. Es war Wilhelm selbst, der seinen Sohn 1591 nach München holte, damit er ihm aus der Krise half. Schließlich dankte Wilhelm ab, flüchtete sich in
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