Blut und Kupfer
persönlich erschien und reichte Marie den Arm. Sein Wams und die Kniebundhose waren aus schwarzrotem Samt. Die Farbe war so außergewöhnlich, dass Marie nicht anders konnte, als ihn unhöflich anzustarren, bevor sie seinen Arm ergriff.
Tulechows Kleidung war zweifellos unerhört kostspielig, doch konnte man ihn nicht des Verstoßes gegen die Kleiderordnung anklagen, die Pelze, Goldbrokat und Edelsteinstickereien einschränkte. »Ich kann Euch gar nicht genug dafür danken und muss Euch rügen, dass Ihr mir ein viel zu kostbares Geschenk gemacht habt.«
»Es war mir ein Vergnügen, belassen wir es dabei. Habt Ihr Euch in den Klostermauern einleben können?«, erkundigte er sich höflich und gab dem Lakaien einen Wink, sie einzulassen.
Hinter den Flügeltüren bot sich Marie ein weitaus anregenderes Bild, als sie es nach dem eher schlichten Rest des Hauses vermutet hätte. Gesellschaften in der Residenz waren glanzvoll, aber über allem schwebte stets die herzogliche Kontrollinstanz, die allzu große Ausgelassenheit dämpfte und intime Gespräche verhinderte. Die Gäste hier waren bester Stimmung. Es wurde gescherzt, und herzliches Gelächter erklang, die Damen gaben sich kokett, und die Musiker spielten eine heitere Gavotte. Eine so ausgelassene Gesellschaft hatte sie zuletzt auf Langenau erlebt, und das auch nur, solange die Glückssträhne ihres Gatten beim Kartenspiel anhielt.
»Georg!«, rief sie lauter, als schicklich war, doch niemand kümmerte sich darum, und ihr Bruder ließ seinen Gesprächspartner stehen, um zu ihr zu kommen.
»Wie schön, Euch wohlauf zu sehen, Marie!« Er strahlte und küsste sie auf die Wangen.
»Meine Pflichten als Gastgeber rufen mich, wenn Ihr mich entschuldigen wollt.« Tulechow verneigte sich und ging zu einem der Lakaien, die neben der Tür warteten.
»Ein großartiger Kerl! Findet Ihr nicht auch, Marie?«, sagte Georg mit Blick auf ihren Gastgeber, dessen ungewöhnliches Wams im Licht der Kerzenleuchter und Lampen changierte. Im Schatten wirkte es schwarz, und wenn er sich bewegte, leuchtete es dunkelrot und verlieh dem dunkelhaarigen Mann mit dem exakt geschnittenen Bart etwas Dramatisches.
Er inszeniert sich gern, dachte Marie, und er liebt den unerwarteten Auftritt. »Ja, er ist ganz reizend«, sagte sie abwesend.
»Neue Handschuhe?«
»Von ihm.«
»Großartig, sage ich doch. Warum er gerade Euch …«
Sie warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu.
»Entschuldigt, aber es ist doch eine Ehre für Euch, von einem solchen Mann umworben zu werden. Genießt es, Schwester.«
»Wollt Ihr mir einige der Gäste vorstellen? Ist das nicht der Sohn von Fistulator?«
Der blonde Mann, mit dem Georg sich kurz zuvor unterhalten hatte, wandte sich ihnen zu. In seinem feinen Wams und den glänzend polierten Schuhen wirkte er ein wenig verloren und schien sich nicht wohl in seiner Haut zu fühlen. Georg winkte einem Diener, der mit einem Tablett Weingläser vorüberkam, und reichte seiner Schwester eines. Wilhelm Fistulator stellte sein leeres Glas ab und nahm sich ein volles.
»Georg, ich bleib nicht lange. Ich hab’s meinem Vater versprochen, aber diese Feste sind meine Sache nicht«, sagte er und stürzte den schweren Gewürzwein, den Marie lediglich gekostet hatte, in einem Zug herunter.
»Ihr erinnert Euch an meine Schwester, Marie von Langenau?«
Wilhelm fuhr sich mit dem Ärmel über den Mund und grinste. Seine Aussprache war schwer, und er schwankte leicht. »Aber ja doch! Ihr wart in der Werkstatt und habt den Alten mit neugierigen Fragen gereizt. Das hat er nicht gern!« Er beugte sich vor und blies ihr dabei seinen weinsauren Atem ins Gesicht. »Das Geheimnis der Scagliola-Technik ist doch unser Kapital. Aber das wisst Ihr, nicht wahr? Jeder weiß das. Der Herzog ist stolz auf uns!« Den letzten Satz hatte Wilhelm in die Runde gerufen und erntete amüsierte Blicke.
Nur ein vornehm gekleideter älterer Herr verzog ärgerlich das Gesicht. Georg packte Wilhelm am Arm und schüttelte ihn leicht. »Reißt Euch am Riemen, Mann!«
Doch Wilhelm kam erst richtig in Fahrt und rief mit ausgebreiteten Armen: »Wir sind dem Herzog wichtiger als der Klecksermeister dort drüben!«
»Hör sich einer den betrunkenen Handwerker da an!«, sagte der ältere Herr, der kein Geringerer als der Hofmaler Peter Candid war.
»Das habe ich gehört!«, brüllte Wilhelm und wollte sich auf Candid stürzen, wurde jedoch von Georg am Wams zurückgerissen und stürzte zu Boden.
Die Umstehenden
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