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Blut und Kupfer

Blut und Kupfer

Titel: Blut und Kupfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Wilken
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Arme nach oben, und Kati ließ die feinen Unterröcke über den Reifrock gleiten. Innerlich sehnte Marie die praktische Vroni herbei, sie vermisste ihr fröhliches, unbedarftes Geplauder. Heute war Sonnabend, und in weniger als einer halben Stunde würde der Tragsessel des Herrn von Tulechow sie abholen. Was ging nur vor auf Gut Kraiberg? Morgen sollte Paul verurteilt werden, wenn es Anton nicht gelungen war, die Beweislast gegen seinen Sohn zu entkräften. Dieses verdammte Kindshändel! »So gib doch acht!«, rief Marie, als Kati den letzten dünnen Rock nach unten zog und dabei die feine Spitze zerriss.
    Das Mädchen fiel auf die Knie und weinte. Sie war eine Waise aus einem der vielen Münchner Armenhäuser. »Es tut mir leid, Herrin. Die Damen kleiden sich alle selbst an, und ich helfe nur manchmal beim Binden der Kopftücher.«
    Seufzend griff Marie nach dem bestickten Überrock. »Hilf mir nur rasch noch hiermit.«
    Jacke und Geschmeide legte sie eigenhändig an, und die Frisur hatte eine Kammerfrau aus dem Gefolge der Gräfin von Larding bereits vor zwei Stunden aufgesteckt.
    Marie sah dem Abend mit gemischten Gefühlen entgegen. Nach zwei endlos sich hinziehenden Tagen, die sie mit den Hofdamen über Stickereien und Gebeten verbracht hatte, war Tulechows Fest eine willkommene Abwechslung, doch eine dunkle Vorahnung ließ sich nicht mehr verdrängen.
    Als sie in ihrer festlichen Robe durch die stillen klösterlichen Gänge schritt, hielt sie nach einer zierlichen Gestalt Ausschau, aber Gisla war nicht zu sehen. Sie hatte fast den Eindruck, dass die alte Dame ihr auswich. Nun, sie hegte die Hoffnung, dass ihre Reise nach Kraiberg Aufklärung bringen würde. Eine Reise, die sie klug eingefädelt hatte. Nervös knetete sie ihre Unterlippe, mahnte sich zu mehr Haltung und war ganz Dame von Stand, als sie den Tragsessel mit nachlässiger Selbstverständlichkeit bestieg.
    Zwei kräftige Männer in dunklen Wämsern, bunt gegürtet und von exotischem Aussehen, trugen sie stumm und im Laufschritt durch die abendliche Stadt. Marie nahm den Vorhang zurück, um die Gassen und Plätze zu betrachten. Auf dem Schrannenplatz wurden Bretterbuden abgebaut, und Straßenkinder rannten zwischendurch, um aufzusammeln, was herunterfiel. Ein Hund bellte, und in einer Gaststube wurde gesungen. Marie fiel ein, dass der Herzog ein Mandat erlassen hatte, welches den Bauern das Tanzen verbot. Herzogin Elisabeth hatte im Kreis der Hofdamen nicht ohne Stolz verkündet, dass laut neuem Gesetz auch in den Gesindeunterkünften eine strenge Geschlechtertrennung vorgenommen werden musste. Was blieb den armen Menschen dann noch an Freude in ihren kurzen, arbeitsreichen Leben?
    Die Träger hielten vor einem dreigeschossigen Haus mit stuckierter und bunt bemalter Fassade im Hackenviertel. Die Gasse wirkte ruhig, und die übrigen Häuser waren beleuchtet, wie Marie beim Aussteigen feststellte. Am Ende der Gasse sah sie die Umrisse eines Kirchleins und eines größeren Baus aufragen, bei dem es sich um das Herzogspital handeln musste. Herzogin Elisabeth liebte es, über die wohltätigen Einrichtungen zu sprechen, und ihr Gatte hatte dem Spital erst kürzlich eine neue Apotheke anfügen lassen.
    »Bitte einzutreten, Hochwohlgeboren.« Ein livrierter Lakai geleitete sie in die Empfangshalle von Severin Tulechows Haus.
    Der erste Eindruck war enttäuschend. Wandteppiche, Gemälde, Vasen, alles sprach von gediegenem Wohlstand, doch nichts schien außergewöhnlich und über die Maßen luxuriös, wie Marie es insgeheim erwartet hatte. Verschiedenste Düfte und Geräusche mischten sich und kündeten von angeregt plaudernder Gesellschaft, dem zu erwartenden Festessen und Musikern. Sie gab ihren Umhang ab und kontrollierte den Sitz ihrer Handschuhe. Die hauchdünnen Seidenhandschuhe waren aufwendig mit winzigen Perlen bestickt und passten, als wären sie maßgefertigt. Tulechow hatte sie ihr am gestrigen Tag übersandt. Ein wartender Lakai führte sie eine breite Treppe hinauf in die Beletage, in der sich die vornehmen Wohnräume und eine zweite Küche befanden. In der Mitte der Empore, von deren Geländer man hinunter in die Halle sehen konnte, befanden sich hohe Flügeltüren, hinter denen die Musik spielte. Der Lakai hatte bereits seine Hand erhoben, um den Knauf zu drehen, als im westlichen Trakt eine Tür zugeschlagen wurde und eilige Schritte näher kamen.
    »Ihr seid gekommen, und ich sehe, Ihr tragt mein bescheidenes Präsent!« Der Hausherr

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