Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blut und Kupfer

Blut und Kupfer

Titel: Blut und Kupfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Wilken
Vom Netzwerk:
der Geheimrat auf Marie gewartet hatte, doch im Gegensatz zu der einschüchternden Haltung des Beamten hielt der Jurist einen verschnürten Karton in den Händen. Seine Wangen waren gerötet, als er etwas linkisch einen Schritt vortrat, um ihr die mit einem seidenen Band verschnürte Schachtel zu überreichen. »Ich habe mich erkundigt, und die Regeln gestatten, Euch ein kleines Geschenk zu machen.«
    Marie setzte ein überraschtes Lächeln auf. »Solche Mühe habt Ihr Euch meinetwegen gemacht? Aber, Verehrtester, das wäre doch nicht notwendig gewesen.« Sie stellte den Karton auf den Tisch.
    »Naschwerk«, erklärte Kranz stolz. »Ich dachte, dass es das hier nicht gibt.«
    »Wirklich, eine ganz reizende Idee, obwohl es den Damen hier an nichts mangelt.«
    »Und Euch? Euer Bruder sagte mir, dass die Herzogin Euch eingeladen hat, und ich wollte meine Einladung nach Schleißheim erneuern.« Er verschlang sie förmlich mit Blicken. Sein weiches Kinn lag auf einem steifen, gefältelten Kragen, und unter dem hohen Haaransatz bildeten sich Schweißperlen. Das Wams spannte über einem kleinen Bauchansatz, und Marie mochte sich nicht vorstellen, wie der restliche Körper des auf Freiersfüßen wandelnden Juristen beschaffen war.
    »Schleißheim, ja, darauf hatte ich mich schon sehr gefreut, doch ich fürchte, dass meine Umquartierung einiges verändert hat.«
    »Wenn es um eine Erlaubnis der Herzogin geht, so kann ich die gewiss erwirken.« Wichtigtuerisch schob er einen Fuß vor und stellte sich vor dem Fenster in Pose.
    Ein Verehrer, der begierig darauf war, seine Zeit mit ihr zu verbringen, und sich mit seinem Einfluss bei Hof brüstete. »Mein lieber Herr Doktor Kranz, ich wäre Euch zu großem Dank verpflichtet und stünde in Eurer Schuld, wenn Ihr mir einen Herzenswunsch erfüllen könntet.« Sie sah die Hoffnung in seinen Augen aufleuchten und neigte kokett den Kopf.
    »Wenn es in meiner Macht liegt, sei Euch der Wunsch erfüllt!«
    »Ich möchte nicht nach Schleißheim, sondern nach Kraiberg. Mein Oheim ist schwerkrank, und ich hatte meine Abreise bereits geplant, als mich die herzogliche Einladung hier festhielt.«
    Die freudige Erwartung schwand und machte ernüchternder Erkenntnis Platz. Kranz nestelte an seinen Spitzenmanschetten. »Nun, ob sich das einrichten lässt, kann ich nicht versprechen. Gut Kraiberg liegt zwei Tagesreisen von hier entfernt, was bedeutet, dass wir fünf Tage fort wären. Das wiederum hieße, dass ich fünf Tage Urlaub einreichen müsste und mein Lohn entsprechend …«
    Bevor sich die Miene des kalkulierenden Juristen vollends verdüstern konnte, machte Marie einen kühnen Schritt auf ihn zu und ergriff seine Hand. »Ich bitte Euch in aller Demut.«
    Die unerwartete Berührung löste einen erneuten Schweißausbruch bei Kranz aus. Nervös leckte er sich die Lippen. »Das ist, ich meine, unter diesen Umständen kann ich kaum …«, stotterte er.
    Marie drückte seine Hand, die weich und feucht war, ließ sie angewidert los und fiel in einen tiefen Knicks. »Ihr seid ein wahrhaftiger Ehrenmann. Mein Bruder hat nicht übertrieben, als er von Euch sprach.«
    »Hat er das? Nun, also wenn ich es recht bedenke, lässt sich eine kleine Reise wohl bewerkstelligen.«
    Als sie sich erhob, sah sie einen selbstgefälligen Mann vor sich, der sich seiner Macht bewusst war, und so, wie er jetzt ihre Hand ergriff und an seine Lippen drückte, lag etwas Forderndes in dieser Geste.
    Nichts ist umsonst auf dieser Welt, dachte Marie und fragte sich, was Gisla damit gemeint hatte, als sie sagte, sie hätte gedacht, dass niemand sie brechen könnte.

XIII
    • •
    Tulechows Fest

    Möge doch ein Jeder, wenn er die Preise dieser Dinge (der Edelsteine) vernimmt, (…) bedenken, wie vieler Menschen Leben ohne dergleichen viel glücklicher wäre, wie viele Unglücksfälle dadurch veranlasst werden, und dass die Menschen alles dieses erdulden, ohne (…) ein anderes Vergnügen davon zu haben, als zwischen buntgefleckten Steinen zu liegen.
    Caius Plinius Secundus, »Naturgeschichte«,
    XXXVI. Buch, »Von den Steinen«

    N icht doch, du musst fester ziehen!« Marie hielt den Atem an und wartete, dass das Mädchen die Schnüre des Korsetts strammer zog.
    Kati wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. »Ich geb mir ja alle Mühe, aber wie kann ein Mensch da noch atmen, wenn er verschnürt wird wie ein Bündel Stroh?«
    Endlich war Maries Taille auf die modische Größe geschrumpft, sie streckte die

Weitere Kostenlose Bücher