Blut und Kupfer
und wenn Ihr mir Angst machen wollt, ist Euch das gelungen!« Verstimmt rückte Marie von der Ordensschwester ab. »Ich wäre glücklich, sagen zu können, dass ich schon seit Jahren das Vertrauen meines Oheims genieße, dann hätte er mir gewiss von Euch berichtet. Aber so ist es nicht. Erst seitdem ich Witwe bin und auf unser, das heißt, das Gut meines Bruders zurückkehren musste, bin ich meinem Oheim nähergekommen. Es gibt so viele Dinge, die neu für mich sind, und …« So vieles, was ich nicht verstehe, dachte Marie und starrte auf den Rasen hinaus. »Und Zwänge, denen ich mich fügen muss.«
»Wir fügen uns, oder wir brechen mit allem und leben mit den Konsequenzen. Ich habe immer gedacht, dass ich stark genug bin, alles zu ertragen, dass niemand mich brechen könnte.« Gisla warf Marie einen mitleidigen Blick zu. »Denkt das niemals! Ich habe für meinen Hochmut bitter bezahlen müssen.«
»Aber …« Händeringend wartete sie auf eine Erklärung, die nicht kam. »Thrasibaldus«, sagte sie schließlich. »Ich habe den Namen einmal gehört, bei den Kapuzinern. Abt Jacobus hat von Freunden erzählt, die der verstorbene Mönch hatte. Remigius gehörte dazu und der von Euch erwähnte Mann.«
»Das ist so lange her.« Die dünne Haut auf Gislas Stirn legte sich in Falten. »Ricenus Thrasibaldus gehörte zu den engen Freunden von Remigius, damals in Prag. Sein eigentlicher Name war Heinrich Khunrath, er war Arzt und versuchte sich in der schwarzen Kunst. Sie alle waren dem Wahn der Alchemie verfallen! Der Kaiser, dieser irregeleitete Wirrkopf, zog sie ja an wie der Honig die Fliegen.«
»Kaiser Rudolf?«
»Wer sonst? Und Wilhelm von Rosenberg war nicht besser, reich und mächtig. Ende der Fünfzehnachtziger war er Oberstlandeskämmerer und nach dem Kaiser der mächtigste Mann in Böhmen und genauso fanatisch, was die Alchemie betraf. Ich verstehe nichts davon! Gott bewahre mich!« Gisla bekreuzigte sich. »Dafür habe ich genügend andere Sünden auf mich geladen. Remigius hockte damals dauernd mit ihnen zusammen. Wenn sie nicht in Prag bei Sallovinus waren, dann auf Burg Krumau bei Rosenberg. Der gefiel sich in der Rolle des reichen Gönners und lud sie alle zu sich ein. Jeder, der sich Künstler, Wunderheiler oder Alchemist nannte, fand Aufnahme. Selbst diesen Kelley, einen Erzschurken, holte er nach Krumau, obwohl der Kaiser den Kerl vom Hof verbannt hatte, nachdem der päpstliche Nuntius – wie hieß der noch? Malaspina! – Malaspina hatte Kelley als das erkannt, was er war, ein Verbrecher, der nur lügen und betrügen konnte und dessen Wissen Augenwischerei war. Ob er nun tatsächlich ein Ketzer und Spion für England war, weiß ich nicht mehr. Ich erinnere mich noch gut an die durchtriebene Visage von Edward Kelley. Er hat mir damals meinen schönen Smaragdring gestohlen, dieser Ausbund der Niedertracht!« Gisla betrachtete ihre Hände, so als sähe sie den Ring vor sich. »Der Ring war ein Geschenk meines Geliebten, und ich habe Kelley für diesen Diebstahl bezahlen lassen. Bei meiner Seele, das habe ich!«
Gisla erzählte von einer Zeit am Prager Hof, die Marie nur vom Hörensagen bekannt war und die ihr immer verklärt und abenteuerlich erschienen war. Doch wie es schien, beruhten die unwahrscheinlichen Berichte über den exzentrischen Kaiser Rudolf und seine Leidenschaft für die schwarze Magie auf Wahrheit. »Und Euer Gatte?«
Das tiefe, ansteckende Lachen erklang, und Gisla betrachtete Marie belustigt. »Welcher Gatte?«
»Ihr wart mehrfach verheiratet?«
»Nicht ein einziges Mal.«
Diese Frau war so geheimnisvoll und verschlossen wie ein Buch. Das Buch des Melchior Janus! Marie überlegte, ob sie Gisla danach fragen sollte. Noch während sie das Für und Wider abwog, kam die junge Dienerin, die den Geheimrat angekündigt hatte, durch den Garten gelaufen. Automatisch erhob Marie sich.
»Erwartet Ihr noch jemanden?«, fragte Gisla.
»Eigentlich nicht.«
»Ein Doktor wünscht die Frau von Langenau zu sprechen.« Außer Atem kam die Dienerin bei ihnen an.
»Doktor Kranz?« Einen anderen Doktor kannte sie nicht.
Das Mädchen nickte, und Marie verdrehte die Augen. Zu Gisla sagte sie: »Seid Ihr nach dem Abendessen noch zu sprechen?«
»Da ziehen wir uns in unsere Zellen zurück. Doch morgen sollte sich Zeit finden. Zeit und Ruhe ist das, was wir hier im Überfluss genießen, nicht wahr?« Sie nickte und versteckte ihre Hände in den weißen Ärmeln.
Doktor Kranz stand dort, wo auch
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