Blut und Rüben
seit einigen guten Ratschlägen wie, sich doch endlich mal die Haare schneiden zu lassen, zumal in seinem Alter – mied er sie wie der Teufel das Weihwasser.
Mit spitzen Fingern reichte mir mein Vetter den Hörer herüber.
»Morgenstern«, meldete ich mich.
»Moritz, Sie müssen sofort kommen!«, flehte die Gräfin. »Es ist etwas Schreckliches passiert!«
4.
Die Lage war ernst. Das erkannte ich sofort.
Ich hatte Armin mit offenem Mund stehen lassen, war zu meinem Volvo gelaufen und hatte mit halsbrecherischem Tempo einen neuen Geschwindigkeitsrekord zwischen Armins Kotten und dem Domizil der Gräfin aufgestellt.
Duffy hatte mir die Tür geöffnet, und seine Zähne produzierten ein paar unschöne Kaugeräusche. Er war gestresst, ganz offensichtlich. Er hatte mich zu höchster Eile gedrängt und war vorausgelaufen. Schließlich hatte ich den Salon betreten. Wie jeden Nachmittag zum Five o’clock Tea .
Nur dass es diesmal nicht fünf war, sondern erst kurz nach Mittag.
Die Gräfin saß zusammengesunken in ihrem Lieblingssessel. Ihre Augen flatterten.
Ollie wedelte ihr mit einem tadellos sauberen Taschentuch Luft zu. Aus seinem Gesicht war jeglicher Hochmut verschwunden. Er machte einen ganz und gar überforderten Eindruck. Als er mich erblickte, kehrte die Hoffnung in seinen Blick zurück.
»Gott sei Dank! Sie sind da!«
Ich stürzte zur Gräfin, fühlte ihren Puls. Der schien mir normal zu sein.
»Was ist passiert?«
»Die gnädige Frau ist in Ohnmacht gefallen«, erstattete Duffy Bericht. »Zuvor hat sie fürchterlich nach Luft geschnappt, verlangte Sie zu sprechen und hat so lange tapfer ausgehalten, bis wir Sie endlich bei Ihrem Vetter Armin erreichten.«
Klang da etwa ein versteckter Vorwurf durch?
»Zum Glück sind Sie ja jetzt endlich da«, fuhr Duffy fort. »Sie wollte unverständlicherweise nur Sie sprechen.«
Langsam schaltete ich auf Normalmodus herunter. Diese Attacken der Gräfin waren mir nicht fremd. Als Kitty, ihre Siamkatze, vor zwei Jahren verschwunden war, hatte ich das Vieh schließlich vom Dach herunterholen müssen. Als ihre geliebten Prachtmöpse Muff und Potter im letzten Jahr spurlos verschwanden, hatte ich sie aus den Krallen eines Hundefängers befreit. Zuletzt hatte sie nach mir verlangt, nachdem sie festgestellt hatte, dass der Major – Gott hab ihn selig – völlig mittellos verstorben war.
Damals hatte ich meine Ersparnisse geplündert, damit sie die dringendsten Schulden hatte bezahlen können. Seitdem war ich nicht nur geduldeter Mieter, sondern willkommener Hausgast.
Die Gräfin schlug die Augen auf.
»Moritz«, flüsterte sie mit versagender Stimme. »Endlich sind Sie da!«
»Was ist passiert, Gnädigste?«
Ihr Mund schnappte ein paar Mal auf und zu. Sie erinnerte mich an einen Karpfen. Ich gab Duffy mit einem Wink zu verstehen, mir den Sherry vom Sideboard zu reichen.
»Nein, geben Sie mir lieber den schottischen Whisky!«, entschied ich. Der gute Bruichladdich stammte noch aus den Lagerbeständen des Majors, schrumpfte aber auf unerklärliche Weise auch nach dessen Ableben kontinuierlich dahin. Die Gräfin war überzeugt, dass der Geist des Alten umhergehe und sich seine irdischen Hinterlassenschaften einverleibte. Dies schien insofern logisch, als der Major dem legendären McSrooge in puncto Geiz in nichts nachstand. Was den Whisky betraf, hatte ich allerdings eher Duffy in Verdacht.
Er wollte den teuren Tropfen in ein Glas gießen.
»Geben Sie schon die ganze Flasche her!«, verlangte ich. Immerhin ging es um Leben und Tod. Duffy reichte sie mir zögerlich.
Ich riss ihm die Flasche aus der Hand und setzte sie der Gräfin an die zitternden Lippen. Mit einer Hand stützte ich ihren Nacken, mit der anderen flößte ich ihr den schottischen Schnaps ein. Es handelte sich um die legendäre vierte Abfüllung des Octomore. Dabei interessierte mich in dem Moment weniger, dass Experten angesichts des teuren Tropfens von all den berauschenden reinen Torfraucharomen schwärmten oder von der feinen, sanften Textur. Viel entscheidender war sein Alkoholgehalt. Neunundfünfzig Prozent sprachen eine eindeutige Sprache.
Als Medizin wirkte er Wunder. So auch diesmal.
Nach und nach kehrte die Farbe auf die gräflichen Wangen zurück. Sie erblühten in einem jungfräulichen Rosa. Langsam richtete sie sich auf und gewann ihre Haltung wieder. Ihre Augen gewannen an Klarheit.
»Was ist passiert?«, fragte ich.
»Ich habe meine bescheidenen Ersparnisse sämtlich an der
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